Neues Album "Zwölf": Herberts eckiges Dutzend

Herbert Grönemeyer legt am Freitag mit „Zwölf“ den schwierigen Nachfolger des Überalbums „Mensch“ vor. Der erste Eindruck ist positiv.

Köln. Dann spekuliert mal schön, mag er sich gedacht haben. Hat er aber nicht. Der Grund, warum Herbert Grönemeyer sein neues Album "Zwölf" genannt hat, ist denkbar simpel: "Was will man nach ,Mensch’ noch sagen?", räsonierte der Deutschen liebster Popstar am Mittwochabend bei der Plattenpräsentation in Köln. Und fügte kokett hinzu: "Es wird sowieso nur alles albern."

Tatsächlich, da ist was dran. Denn die erste Single, "Stück vom Himmel", ließ Schlimmstes befürchten. "Wann stehen wir für unsere Dramen?", fragt Grönemeyer da erschreckend ungelenk, ruft "die Erde als unsere Pflicht" aus und verpasst dem Thema "Kampf der Kulturen" einen mehr gewollten, denn gekonnten Stempel. Jetzt ist er verrückt geworden, dachte man sich kurz, als der Song zum ersten Mal im Radio lief, mit anschwellenden Streichern zu unwürdigem Pathos verwaschen.

Sicherlich, der Kredit, den er sich über 25 Jahre als feinsinniger, textlich ausgefeilter und kompositorisch stilsicherer Musiker gemacht hat, den verspielt man sich nicht mit einem einzelnen überambitionierten Gesinnungsgemurkse. Das darf sich jeder mal leisten. Aber man war vorgewarnt, als man sich aufmachte, die zwölf Räume zu erforschen, die anlässlich der Präsentation mit den einzelnen Songs des neuen Albums beschallt wurden. Und nachdem man dann alle Stationen abgehakt hatte, sich so einen ersten Eindruck verschaffen konnte, hieß das Fazit: Mensch Herbert! Geht doch!

Natürlich ist das mit der "Zwölf" dann doch nicht ganz so simpel gewesen. Den einen oder anderen Bezugspunkt gab es schon, beispielsweise, dass zum verabredeten Abgabetermin "kein besserer Titel gefunden" war. Oder dass das Album nun mal zwölf Songs hatte, nicht zu vergessen, dass Grönemeyer an einem 12. April geboren wurde. Und dass das "Ö" sich bei Zwölf direkt im Zentrum befindet. Außerdem symbolisiert die Eins bei den Chinesen den Mann, die Zwei die Frau, Eins und Zwei macht Drei, das wiederum wäre dann wieder das Kind und so weiter und so fort.

Die Zahlenspiele sind sinnbildlich für das universelle Themenspektrum, das Grönemeyer mit "Zwölf" wieder in Angriff nimmt, losgelöst von der auf "Mensch" alles bestimmenden Trauer um seine verstorbene Frau. War dort der Kopf noch "unmöbliert und leer" und schimmerte sein neu gefasster Lebensmut nur an manchen Stellen sacht hindurch, ist "Zwölf" ein Weg zurück zu den Wurzeln, dem nervösen Geschichtenerzähler, der Sozialkritik gleichermaßen wie Herzschmerz in lyrische Kopfgeburten verwandelt, auf einem sprachlichen Level, das in Deutschland immer noch seinesgleichen sucht.

"Ich lese täglich deutsche Zeitungen und sehe deutsches Fernsehen", bescheidet er eine Frage, ob er es sich als Künstler mit Erstwohnsitz London denn herausnehmen könne, die Große Koalition zu kritisieren. Im betreffenden Song, "Flüsternde Zeit" läuft er tatsächlich zu alter Form auf, um in dem Fußballer-Jargon zu bleiben, in dem er die Reformvorhaben aus Berlin als zu kurzsichtig abkanzelt. Textzeilen wie "Aber Ihr steht weit im Abseits" oder "Der Gegner kommt über rechts" erscheinen nur auf den ersten Blick gedrechselt. Tatsächlich sind es stimmige Momentaufnahmen eines vom Sommermärchen aufgewühlten Volkes.

Highlights sind das wunderschöne Liebesrequiem "Ohne Dich", das warmherzige "Du bist die" und das hymnische "Liebe liegt nicht".

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