Neuseeland-Pop: Ladi6, Brooke Fraser, Bachelorette

Berlin (dpa) - Neuseeland hat mehr zu bieten als massenhaft Schafe, Kiwis und Hobbits: In letzter Zeit rückt aus dem abgelegenen Inselstaat immer mehr Pop-Musik ins Bewusstsein, für die die schrägen Split Enz einst in den 70er Jahren die Tür weit aufgestoßen haben.

Nicht alle aber sind in Neuseeland geblieben: Zu klein ist dort doch die Szene. „Es gibt in Neuseeland ungefähr vier wichtige Städte. Im Vergleich zu Deutschland sind es aber kleine Städte. Das bedeutet, man kann eine Neuseeland-Tour an zwei Wochenenden schaffen“, sagte Karoline Tamati, die unter dem Namen Ladi6 firmiert, der Nachrichtenagentur dpa.

Eine besonders ausdrucksstarke Stimme besitzt Karoline Tamati (30), die gerade ihr kraftvolles Album „The Liberation Of...“ veröffentlicht hat, das zwischen Handclaps, schneidenden Beats, Bläsersätzen und Orgelsound einen fein austarierten Platz zwischen Hip-Hop und Soul eingenommen hat.

„Ich interessierte mich schon für Hip-Hop, als ich auf der Highschool war. Besonders hat mich die Performance interessiert, das ganze B-Boy- und B-Girl-Zeug. Das hat mir Spaß gemacht“, sagt Ladi6.

Auch wenn die Sängerin samoanischer Herkunft ihr Album in Berlin aufgenommen hat - wo sie inzwischen auch für einige Monate wohnt -, die Preise heimst sie bisher noch in ihrer neuseeländischen Heimat ein. Aber das muss ja nicht so bleiben, denn „The Liberation Of...“ hat genug Groove, um sich in einem heißen Sommer richtig zu entfalten.

Einen Schritt weiter ist schon Brooke Fraser: Die neuseeländische Sängerin eroberte mit ihrem Song „Something In The Water“ (schöner Männerchor!) gerade auf Anhieb Platz neun der deutschen Single-Charts. Mit ihren 26 Jahren kann sie schon auf eine lange und erfolgreiche Karriere mit zahlreichen Auszeichnungen zurückblicken. Ihr Debüt „What To Do With Daylight“ erschien bereits 2003, ihr aktuelles Album „Flags“ (VÖ: 1.7.), ihre erste Veröffentlichung in Europa, stellt sie als eine beschwingte Singer-Songwriterin vor, die manchmal an Amy Macdonald erinnert. Schöner Pop für den Sommer - mal beschwingt und mal besinnlich.

Unter „fremder Flagge“ segelt auch Annabel Alpers, die ihr Projekt Bachelorette genannt hat. Auf ihrem selbstbetitelten dritten Album entpuppt sie sich als Engel im Elektroland. Verhallt im Echoland lagert sie Schicht auf Schicht zu himmlischen Gefilden. In Bachelorettes Elysium zischt, zirp und schnarren die Elektrosounds, trifft der Pinball-Wizard auf breite Orgel-Wände, an denen sich Annabel Alpers entlanghangelt. Ganz auf Stimmung setzt sie mit ihrer aus allen Richtungen kommende Sirenstimme. Und eine Art Folksong („The Light Seekers“) hat sie in ihren psychedelischen Pop auch noch reingeschmuggelt. Annabel Alpers, die inzwischen an der amerikanischen Ostküste lebt, hat ihr Album in England, Libyen und den USA aufgenommen.

The Naked and Famous haben mit ihrem bereits vor einigen Monaten erschienenen Debüt „Passive Me, Aggressive You“ bereits für reichlich Wirbel gesorgt. Die Musik-Zeitschrift „NME“ hat das Quintett mit dem renommierten Philip Hall Radar Award ausgezeichnet, den zuvor The Big Pink und The Drums erhalten haben. Die BBC zählt The Naked and Famous zu den vielversprechendsten Bands 2011.

Die Neuseeländer können nicht nur lässige Pop-Hits schreiben wie „Young Blood“ oder „Girls Like You“, die zum hemmungslosen Tanzen und Mitsingen einladen, sondern verlassen auch mit zahlreichen schrägen Soundexperimenten dieses Terrain immer wieder gekonnt.

Man hört es schon, dass Nine Inch Nails und TV On The Radio zu ihren Vorbildern gehören, die mit einer eigentümlichen Mixtur aus Post-Punk und Dance, Pop und Avantgarde, Rock und Elektro einen ganz eigenen Platz gefunden haben. Für The Naked and Famous, die auf ihrem Debüt ihrer Lust an einer ausgefallenen Produktion ungehemmt nachgingen, ist da auf jeden Fall noch eine große Ecke frei. Eine Band der 1000 Ideen, die im großen Ganzen aufgehen.

Besinnlicher ist das wunderschöne Album von Flip Grater geworden, die mit „While I'm Awake I'm At War“ ein einfühlsames Singer-Songwriter-Album vorgelegt hat, das mit leichten Country-Anklängen von einem großen Maß an süßer Melancholie getragen wird. Gemächlich ist das Tempo, das die Neuseeländerin anschlägt, deren leicht sinnlich-schläfrige Stimme die spärlich instrumentierten Songs beherrscht, die gerne auch mit einem dezenten Streicherteppich und Hintergrundchor sanft veredelt werden.

Für einen wie auch immer gearteten neuen Neuseeland-Sound stehen sie zwar nicht, aber 2011 könnte dennoch das Jahr von Ladi6, Brooke Fraser, Bachelorette, The Naked and Famous und Flip Grater werden

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