Pop global: Weltmusik für den WM-Sommer

Berlin (dpa) - Sonne, Urlaub, Fußball-WM - die beste Jahreszeit für Weltmusik bricht an. Fünf Tipps aus einem immer breiteren Angebot - globale Popmusik zwischen Rio und Bamako.

Pop global: Weltmusik für den WM-Sommer
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LATIN/BOSSA - BRASILIEN: Thievery Corporation

- „Saudade“ (ESL Music/Rough Trade): Erstmals - womöglich auch mit Blick auf das Sportereignis des Jahres - widmet das Worldmusic/Elektro-Projekt ein komplettes Album dem Sound Brasiliens. Wie Cover und Titel - zu übersetzen mit „Wehmut“ oder „sanfte Melancholie“ - schon andeuten, geht es hier weniger um die drahtigen Bossa- und Samba-Beats vieler Brasil-Kompilationen, sondern um die sehnsüchtige Seite dieser Musik. Jeder der 13 entspannten Tracks wird von einer Sängerin interpretiert, die in den meisten Fällen gar nicht aus Brasilien stammt. Dennoch hört man Anklänge an Astrud „Girl From Ipanema“ Gilberto, Bossa-Ikone Antonio Carlos Jobim oder Legenden der brasilianischen Popmusik wie Caetano Veloso und Gilberto Gil. Ein schönes Album, das Vorfreude auf die Fußball-WM weckt und auch bei einer Niederlage des eigenen Teams tröstende Wirkung entfalten dürfte.

LATIN/REGGAE - KOLUMBIEN: Quantic

- „Magnetica“ (Tru Thoughts): Eine zündende Mischung aus kolumbianiscber Cumbia, Reggae, Samba, Salsa und Pop ist die Spezialität des Projekts um Will Holland, der elektronische und handgefertigte Klänge hier wieder schwerelos zusammenfließen lässt. Nach verschiedenen Variationen der Quantic-Idee hat er diesmal ein Solo-Album mit vielen Gastmusikern aus aller Welt aufgenommen. Tanzbare Stücke wie der Titeltrack oder das kubanische „Descarga Cuantica“ wechseln sich ab mit ruhigen Songs wie dem von Streichern und Banjo verzierten „You Will Return“ (mit der weißen Soulsängerin und langjährigen Quantic-Mitstreiterin Alice Russell). Dass Holland ein blasser Brite aus Worcestershire ist, hört man diesem modernen, vor Energie nur so vibrierenden Weltmusik-Album jedenfalls nicht an.

LATIN/SAMBA - URUGUAY: Jorge Drexler

- „Bailar En La Cueva“ (Warner Music Spain): Auch dieser oft so melancholisch wirkende Singer/Songwriter aus Montevideo hat auf seiner neuen Platte die Lebensfreude entdeckt. Schon im Titelsong und Opener münden flirrende Gitarren, Latin-Percussion und knackige Bläser in einen rhythmischen Strudel, wie man das von diesem Mann selten erlebt. Drexler, der 2005 einen Filmsong-Oscar erhielt und damit endlich über den südamerikanischen Kontinent hinaus bekannt wurde, singt auch hier wieder einige wunderbare Balladen - nicht umsonst nennt man ihn den Caetano Veloso Uruguays. Darüber hinaus aber traut er sich auf diesem ungewöhnlich beschwingten Album sogar eine Art Rap zu („Data Data“) - eine neue Facette in seiner 20-jährigen Karriere. Nicht nur die Fußballer aus dem kleinen Nachbarland zu Brasilien und Argentinien sind also für Überraschungen gut.

FLAMENCO/LATIN-ROCK - MEXIKO: Rodrigo Y Gabriela

- „9 Dead Alive“ (Ruby Works/Pias/Cooperative): In seinem mexikanischen Studio Ixtapa hat das Duo Gabriela Quintero und Rodrigo Sanchez ein neues Instrumental-Album aufgenommen. Wieder knallen die Flamenco-Akkorde aus den wie im Heavy Metal malträtierten Gitarren heraus, notfalls auch mit den Füßen wird zusätzlicher Drive erzeugt, die Energie und Harmonie zwischen den beiden sind zu jeder Sekunde spürbar. Rodrigo Y Gabriela sind längst raus aus der Weltmusik-Nische, ihr mitreißender Crossover-Sound ist ein Pop- oder gar Rock-Phänomen. Alle Stücke der bereits achten Platte seit 2004 (live oder im Studio) sind historischen Persönlichkeiten des 13. bis 20. Jahrhunderts gewidmet, aber dieser intellektuelle Überbau interessiert Fans virtuoser Akustikgitarren-Musik vermutlich weniger. Sie werden von zwei Könnern mit ganz eigenem Stil wieder bestens bedient.

AFROPOP/BLUES - MALI: Toumani & Sidiki

- „Toumani Diabaté & Sidiki Diabaté“ (World Circuit/Indigo): Ein Vater/Sohn-Duo an der Kora - der westafrikanischen Harfe, die diesen ganz eigentümlichen, hellen, flirrenden Sound erzeugt. Der weltweit wohl bekannteste Kora-Spieler Toumani Diabaté und sein Sohn Sidiki nahmen in einem Londoner Studio zehn musikalische Zwiegespräche als eindringliche, authentische Werbung für die Musik ihres Kontinents auf. Der Ältere, seit Jahrzehnten ein Worldmusic-Star, spielte schon mit Ali Farka Touré, Taj Mahal, Herbie Hancock, Damon Albarn oder Björk und begeisterte US-Präsident Barack Obama; der Jüngere, ein aufstrebender Musiker aus Malis Hauptstadt Bamako, ist auch HipHop-affin. Dieses Diabaté-Doppel aus Altersweisheit und juvenilem Temperament ist ein faszinierendes Ereignis nicht nur für Afropop-Fans.

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