Reinhard Mey wird 70: Sein Leben in Liedern

Der Liedermacher Reinhard Mey wird am Freitag 70 Jahre alt — will er aufhören?

Berlin. Er ist immer noch so schlank wie 1966, als er zum ersten Mal am Liedermachertreffen auf Burg Waldeck teilnahm. Er singt weiter allein zur Gitarre, er trägt nur vor, was er selbst komponiert und getextet hat. Und er hat nach wie vor Lampenfieber, bevor er auf die Bühne geht.

Reinhard Mey, am 21. Dezember 1942 in Berlin geboren, der Vater Rechtsanwalt, die Mutter Lehrerin, ist der Sänger mit den besten, den ausgefeilten, den überraschenden Reimen — wer sonst bringt eine „Luftaufsichtsbaracke“ im Lied unter („Über den Wolken“)?

Mey erzählt Geschichten über das Naheliegende und die Nächsten, seit 47 Jahren und auf 25 Studioalben von „Ich wollte wie Orpheus singen“ (1967) bis zu „Mairegen“ (2010).

Als Jugendlicher ging er in Berlin aufs französische Gymnasium, war ein schlechter Schüler, lernte Industriekaufmann auf Wunsch der Eltern. Dann ging er den „Weg des größeren Widerstands“ und machte die Musik zum Beruf.

Es ist eine besondere Musik zwischen Chanson und Country, Mey hat sie erfunden — und damit Millionen Fans gefunden und Millionen verdient. 1965 kam die erste Single, zwei Jahre später der Durchbruch. Seitdem ist seine milde Stimme zu hören.

Wer Mey aber als Schlagersänger bezeichnet, erlebt, wie er von grundsätzlicher Milde auf Zorn umschaltet. Er hat alle Schlagerpreise abgelehnt, die man ihm verleihen wollte, ob aus Bosheit, Dummheit oder falschem Verständnis. Dass der Kabarettist Dieter Hildebrand ihn als „Heino des Dritten Programms“ belästerte, hat Mey verletzt. Allerdings trat er einige Male in der ZDF-„Hitparade“ auf.

Der Musiker hat drei Generationen beeinflusst, auch in Frankreich, wo er als Frédérik Mey Karriere machte und seine Texte in Schulbüchern abgedruckt wurden. Hierzulande avancierten seine Hits zu volksliedhaften Klassikern. „Gute Nacht, Freunde“ (1972) und „Über den Wolken“ (1974), das kennen alle.

Meys Dasein ist ein Leben in Liedern. Mehrere Hundert davon gibt es, und die meisten sind aus Alltäglichkeiten geboren. In „Ein Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ hat er Behörden attackiert. Ihm wird der erste Song zum Thema Umweltschutz zugeschrieben: „Es gibt keine Maikäfer mehr“ (1974).

Und immer, wenn er Vater wurde (von drei Kindern), wurde er melancholisch: „Kinder sind uns ja nur für kurze Zeit gelieh’n.“ Er besang aber auch Heimwerker, die Liebe war Dauerthema, mit dem Alter wurde er grantiger. Mit „Alles o.k. in Guantánamo Bay“ verdammte er 2003 den Irakkrieg.

Reinhard Mey lebt zurückgezogen. Sein Sohn Max fiel wegen einer verschleppten Lungenentzündung 2009 in ein Wachkoma, wird bis heute künstlich beatmet. In „Mairegen“ hat Reinhard Mey die Tage des Schmerzes und Hoffens am Krankenbett verarbeitet.

Seither ist es stiller um ihn geworden, er gibt keine Interviews, hält aber Kontakt zu seinen Fans über seine Homepage. Die hat er nun mit der Ankündigung überrascht, dass im Mai 2013 ein neues Album kommt, Titel „Dann mach’s gut“. Wer auch immer da Abschied nimmt. . .

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