R.E.M.-Sänger Michael Stipe will auf dem Höhepunkt aufhören

Der ehmalige R.E.M.-Sänger Michael Stipe über seine Zukunft und warum Deutschland mal seine Heimat war.

London. Nach 31 Jahren auf der Bühne hat sich die US-Rockband R.E.M. („Man On The Moon“, „Imitation Of Life“) aufgelöst. Band-Frontmann Michael Stipe (51) spricht in London über Erleichterung, die Zukunft, sein Leben in Deutschland und politische Proteste.

Herr Stipe, 31 Jahre R.E.M. neigen sich dem Ende zu. Sind Sie traurig?

Michael Stipe: „Ich habe das nun schon gemacht seit ich 19 bin. Mit der Ankündigung der Auflösung hatte ich das Gefühl, mir eine Pause zu gönnen. Nicht nur, dass ich das Gefühl hatte, den Leuten nicht mehr sagen zu müssen, was ich als Nächstes machen werde. Ich muss auch selbst gar nicht mehr so genau wissen, was ich als Nächstes mache. Ich war in meinem ganzen Leben als Erwachsener noch nie unabhängig von dieser Band. Daher gibt es außer einem bittersüßen, traurigen Gefühl auch ein Gefühl der Befreiung. Wir machen es auf unsere Art und folgen damit unserer Tradition.“

Werden Sie mit Ihrer Musikkarriere weitermachen?

Stipe: „Ich mache mir darüber erst einmal keine Gedanken, zumindest nicht vor dem nächsten März. Ich werde mit dem weitermachen, was ich mache. Mein Leben hat ja nicht plötzlich aufgehört.“

Was machen Sie denn?

Stipe: „Neben der Musik arbeite ich auch als Filmproduzent, zurzeit gerade für einen Dokumentarfilm. Hoffentlich wird der Film nächstes Jahr bei den Festivals dabei sein. Ich bin nur Produzent, habe also keine besonders kreative Position. Außerdem beschäftige ich mich seit sechs Jahren mit Bildhauerei.“

Könnten Sie sich vorstellen, in der Zukunft gemeinsame Projekte mit Ihren ehemaligen Bandkollegen zu machen?

Stipe: „Das Kapitel R.E.M. ist abgeschlossen, das ist vorbei. Ich schätze ihre Meinung zur Musik und zum Leben sehr. Sie kennen mich besser als jeder andere, meine Familie eingeschlossen. Und obwohl die Band R.E.M. Geschichte ist, ist das nicht das Ende unserer Freundschaft.“

Warum haben Sie das Kapitel ausgerechnet jetzt geschlossen?

Stipe: „Seit etwa drei Jahren haben wir darüber gesprochen, was wir machen sollen. Und wir waren uns alle einig, dass es einfach feige wäre, sich an einem Tiefpunkt unserer langen Karriere aus der Sache herauszuwinden. Auch die ganz Großen wie Bob Dylan hatten Hochs und Tiefs, und das macht ihn als öffentliche Person und als Künstler so interessant. Wir wollten nicht an einem Tiefpunkt unserer Karriere aufhören. Und wir hatten den Eindruck, dass unsere letzten zwei Alben und die Tour sehr stark waren.“

Nun veröffentlichen Sie Ihr letztes Album: „Part Lies, Part Heart, Part Truth, Part Garbage 1982-2011“, das heißt so viel wie „Teils Lügen, teils Herz, teils Wahrheit, teils Müll“. Was betrachten Sie als Garbage, also Müll?

Stipe: „Peter Buck, unser Gitarrist, wurde vor Jahren mal gebeten, R.E.M. zu beschreiben. Er ist sehr clever, da hat er das gesagt. Es ist lustig, es ist ehrlich, das sind wir! Was auch immer man sich unter Popmusik vorstellt, wir haben das alles mitgemacht: Wahrheit, Lügen, Müll, das alles.“

Auf dem Album ist auch die neue Single „We All Go Back To Where We Belong“, was so viel heißt wie „Wir gehen alle dorthin zurück, wo wir hingehören“. Wo gehören Sie denn hin?

Stipe: „Ich weiß es nicht. Ich habe den Songtext noch nicht interpretiert, auch wenn ich ihn geschrieben habe. Ich weiß nicht genau, was er bedeutet. Es gibt drei neue Songs auf dem Album und die Plattenfirma fand, dieser wäre eine gute Single.“

Apropos hingehören: Sie stammen aus Georgia in den USA, haben aber mal in Deutschland gewohnt.

Stipe: „Ja, ich war sieben Jahre alt, und ich kann mich noch genau daran erinnern. Es war das erste Mal, dass ich außerhalb der USA gelebt habe. Der Flug nach Frankfurt war der erste meines Lebens. Mein Vater war in der US Army, und wir wohnten knapp zwei Jahre in der Nähe von Frankfurt. Wir glauben, dass unser Nachname deutscher Abstammung ist. Er wurde dann in Stipe geändert, als meine Vorfahren in die USA kamen. Jedenfalls fühlte sich Deutschland wie eine andere Art Heimat für mich an. Ich habe so viel erlebt. Ich erinnere mich an beinahe jeden Tag, den ich dort verbracht habe.“

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