Rock am Ring: Drei durchgerockte Nächte

Drei Tage lang feierten 85.000 Fans bei Deutschlands Mega-Festival. Schlaf und Hygiene wurden da zur Nebensache.

Nürburgring. Ishak hat auch nach Stunden hinter dem T-Shirt-Stand noch unschlagbare Laune: "Ich bin doch hier nur der perverse Perser", sagt er jedem, der eigentlich etwas kaufen will und lacht sich darüber kaputt.

Seine Kunden auch. Ishak kommt mit seinen fünf Kumpels aus Stuttgart schon seit Jahren zum größten deutschen Festival "Rock am Ring" - um zu arbeiten. "Das ist einfach eine große Familie hier - das gibt’s nirgendwo sonst", sagt er mit leuchtenden Augen. "Die Leute feiern einfach nur und wollen, dass jeder mitmacht."

85.000 Zuschauer haben den Nürburgring am Wochenende zu einer riesigen Rocker-Meile gemacht. Hier ist man nicht, um einfach Konzerte zu sehen: "Ringrocker" zu sein ist ein Lebensgefühl. Wer morgens beim Aufstehen nicht "Rock ’n’ Rooooolllll" brüllt, hat nichts verstanden.

Thomas macht das zum Beispiel so. Der Dortmunder holt sich nach dem morgendlichen Gruß das erste Pils. Und wer ihn fragt, ob er etwas frühstücken will, kriegt zur Antwort: "Ey, Essen wird total überbewertet." Dann schmeißt er den Ghettoblaster an und die Band "Kassierer" beschallt den Zeltplatz mit dem subtilen Refrain: "Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist."

Fast genauso schlimm sind aber die Toiletten und Duschen. Nach einer durchgerockten Nacht aufstehen, ohne Socken in feuchte Turnschuhe schlüpfen und den Gang zum Dixi-Klo antreten - das ist kein Wellness-Urlaub. Und duschen? "Wird total überbewertet", sagt Thomas wieder.

Nachts gegen drei Uhr, wenn die letzte Band die Bühne verlässt, geht die Party im Disco-Zelt weiter. Hier trifft man auf Manuel, dem mit Edding Tätowierungen ins Gesicht und auf die Ohren gemalt wurden. Wer ihn fasziniert betrachtet, erntet einen fragenden Blick. Sein Freund Sascha klärt auf: "Den haben wir angemalt als er schlief. Der hat noch in keinen Spiegel geguckt. Wir hoffen, das hält bis Montag - da hat er ein Vorstellungsgespräch."

Weil die großen Altrocker wie Metallica und Motörhead beim Festival spielen, sind in diesem Jahr viele Rocker-Originale zwischen 40 und 60 Jahren unterwegs, die sich abfällig nach den "Kindern" umdrehen, "die das Bier nicht vertragen". Dabei tun die "Kinder" nichts anderes, als zur Musik ordentlich abzutanzen. "Rock musst du fühlen und reinlassen", erklärt Peter (58). "Wer wild hampelt, bei dem kommt das nicht an." Peter hat die Hände in den Taschen und wippt kaum merklich mit dem Kopf. So macht man das.

Ein bisschen Wehmut kommt dann aber doch noch auf bei den Männern, als Metallica nach zwei Stunden von der Bühne gehen. Peter und seine Freunde gehen rüber zur zweiten Bühne: "Wann spielt nochmal Nirvana?" fragt Peter. "Direkt nach The Doors und Jimi Hendrix", meint sein Kumpel seufzend. Denn diese Bands sind schon lange Geschichte. "An die kommt keiner mehr ran", behauptet Peter.

Aber darum geht’s hier gar nicht. Denn an das Rock ’n’ Roll-Lebensgefühl sind 85000 Zuschauer an diesem Wochenende hautnah herangekommen. Veranstalter Marek Lieberberg bringt es mit Hilfe von Johnny Cash auf den Punkt: "It was a Ring of Fire."

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