Solopfade: Neues von Goodwin, Drew und Boyd

Berlin (dpa) - Band-Frontmänner auf Solopfaden: Die neuen Alben von Jimi Goodwin (Doves), Kevin Drew (Broken Social Scene) und Brandon Boyd (Incubus) sind zum Glück mehr als nur gelangweilter Zeitvertreib.

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So legt JIMI GOODWIN nach vier erfolgreichen Alben seiner britischen Band Doves auf „Odludek“ (Heavenly/Pias/Cooperative) gleich mit einem Knalleffekt los: Der Opener „Terracotta Warrior“ wird von einem mächtigen Bläsersatz, rasselnden Drums und unwiderstehlichem Funkrock-Groove vorangetrieben, über den sich die Kraftprotz-Stimme des Mannes aus Manchester legt. Nach einem solchen Start kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen, und das tut es auch nicht. Eine enorme Spiel- und Experimentierfreude prägt die über 18 Monate entstandenen zehn Goodwin-Songs.

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Britpop, psychedelischer Soul, Rave, Krautrock- und sogar Hip-Hop-Rhythmen (im tollen „Didsbury Girl“) fügen sich zu einem epischen Klanggemälde, das denen der Doves nicht unähnlich ist, aber doch darüber hinaus geht. Wie so oft, wenn Frontleute mit ihren Bandkollegen keine Absprachen treffen oder Kompromisse finden müssen, wirkt dieses Soloalbum sehr selbstbewusst. Goodwin sagt über den Entstehungsprozess von „Odludek“ (polnisch für Einzelgänger): „Ich habe sehr schnell entschieden, mich mal wie Prince zu fühlen und alles selbst einzuspielen. (...) Ich habe es selbst gemacht und selbst dafür gezahlt, das war sehr befreiend.“

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Die jazzige Mitternachtsballade „Keep My Soul In Song“ ist ein gutes Beispiel - bei den Doves wäre sie wohl ein gutes Stück hymnischer oder auch bombastischer ausgefallen, beim Goodwin-Solo klingt dieser Song wunderbar schwerelos. Das anschließende „Oh Whiskey“ und auch „Ghost Of The Empties“ nähern sich dem Folkpop des geschätzten schottischen Singer/Songwriter-Kollegen Justin Currie (Del Amitri). „Lonely At The Drop“ erinnert an die Stone Roses, ehe der Kirmeswalzer „Panic Tree“ den Rausschmeißer aus einem rundum gelungenen Jimi-Goodwin-Debüt liefert.

Auch KEVIN DREW, Mastermind des kanadischen Indierock-Kollektivs Broken Social Scene, entschied sich bei seinem zweiten Soloalbum „Darlings“ (City Slang) dafür, den ausufernden, gelegentlich anstrengenden Stil seiner Band nicht zu kopieren. So verwebt er in „It's Cool“ oder „You Gotta Feel it“ unaufdringliche Gitarren-Sounds, Plucker-Beats und transparente Keyboard-Flächen zu einem luftigen, fast ätherischen Softrock-Klangbild. Mit „Mexican After Show Party“ schaltet er in den Prince-Modus, ohne dass man hier von schwarzer Musik sprechen könnte. Und „Good Sex“ ist selbsterklärend (mit ziemlich sexy Video ganz nebenbei) - diesem Thema war der Mann aus Toronto früher schon durchaus zugetan.

Der Sänger, Songwriter und Multi-Instrumentalist Drew gilt in der kanadischen Musikszene als bestens vernetzt. So verwundert es nicht, dass auf „You in Your Were“ im Hintergrund Landsmännin Leslie Feist mitsingt, längst eine Art Indiefolk-Superstar. Namedropping hat Kevin Drew indes gar nicht nötig - ein Mann, der als zentrales Stück seines Albums eine „Bullshit Ballad“ singt, ist per se ein Individualist, der solch ein Solo aus Lust und Laune, also ohne selbstauferlegten Druck macht. Und so hört sich „Darlings“ dann auch an: laidback, locker, lässig. Kein Großwerk, aber eine weiche, harmonieselige Elektropop-Platte, der man zu jeder Tages- und Nachtzeit gern ein Ohr widmet.

Nicht unter eigenem Namen, sondern im Projekt Sons Of The Sea gemeinsam mit dem Top-Produzenten Brendan O'Brien ist BRANDON BOYD, Kopf der US-amerikanischen Metal-Funk-Poprocker Incubus, derzeit unterwegs. Das selbstbetitelte Debüt (Avow! Records/Membran) wartet mit eingängigen und manchmal auch recht glatten Popsongs auf, die - etwa im komplexen „Space And Time“ - einen deutlichen Prog-Einschlag ihr Eigen nennen.

Auch wenn er selbst über dieses Quasi-Soloalbum sagt, „der beste Weg nach vorn wäre, sich komplett zu lösen“: Boyd, mit Incubus seit den 90er Jahren in den Staaten ein Star des Alternative-Rocks, riskiert als „Sohn der See“ nicht wirklich alles. Vor allem fasziniert hier seine extrem flexible Stimme - sie changiert zwischen Grunge-Gebrüll im Stil eines Chris Cornell (Soundgarden), dem Charisma eines James Dean Bradfield (Manic Street Preachers) und zartestem Falsett. Und dass „Sons Of The Sea“ ein knackig auf den Punkt produziertes High-End-Werk ist, versteht sich bei einem Studio-As wie Brendan O'Brien von selbst.

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