Stars: Wärme und Licht für kalte Tage

Die Kanadier veröffentlichen mit „No One Is Lost“ ein Album, das auch den tragischsten Momenten etwas Positives abgewinnt.

Stars: Wärme und Licht für kalte Tage
Foto: Shervin Lainez

Düsseldorf. Torquil Campbell stand bereits als Schauspieler auf Theaterbühnen und vor TV-Kameras. Zudem lieh er in den 90er-Jahren einer Figur der Cartoon-Serie „Rupert“ seine Stimme. Die Hauptbeschäftigung des Kanadiers ist jedoch seit mittlerweile gut 15 Jahren die Musik. Genauer gesagt, die Band Stars, deren Sänger und Gründer er ist.

1999 starteten Campbell und sein langjähriger Freund und Keyboarder Chris Seligman, die zu jener Zeit beide im New Yorker Stadtteil (und späteren Gentrifizierungszentrum) Brooklyn-Williamsburg lebten, ein Projekt und veröffentlichten ein erstes Album. Bald darauf stießen Sängerin Amy Millan sowie Bassist und Co-Songwriter Evan Cranley hinzu und Stars entwickelten sich zur Band. Gemeinsam zogen die vier nach Montreal, lernten dort Schlagzeuger Patrick McGee kennen und die Besetzung war komplett.

„Wir sind eine Gang, wir sind immer noch zusammen und haben viel zusammen geschafft“, erzählte Amy Millan kürzlich in einem Interview mit dem Musikmagazin „Intro“. „Mittlerweile haben wir Kinder, wir kaufen Häuser, wir leben unser Leben. Das war alles ziemlich weit weg, ein Traum, als wir angefangen haben, Musik zu machen. Jetzt leben wir diesen Traum aus.“ Eine gewachsene Erfolgsgeschichte ohne Allüren.

Spätestens mit dem dritten Album „Set Yourself On Fire“ von 2004 etablierten sich Stars in Kanada als eine der erfolgreichsten einheimischen Bands. Jeweils zweimal wurden sie für den Polaris Music Prize und den Juno Award, die beiden renommiertesten Musikpreise des Landes, nominiert.

Internationale Touren und Anerkennung in der europäischen Musikpresse folgten, doch der große Durchbruch war der Band außerhalb ihrer Heimat nie vergönnt. Was sich Stars hingegen auch in Deutschland erspielt haben, ist eine treue Fangemeinde, und so melden sie sich nun selbstbewusst zurück, auch wenn ihr letztes, keineswegs schlechtes Werk „The North“ 2012 hierzulande kaum Beachtung fand.

„No One Is Lost“ ist das siebte Album der Band insgesamt und das zweite, das bei ATO Records erscheint, dem Label von US-Superstar Dave Matthews (Dave Matthews Band). Stars bleiben darauf ganz bei der für diese Band charakteristischen Verbindung aus hymnischen Melodien und intimen Momenten stiller Schönheit. Die Kanadier haben einen Hang zu großen Gesten und opulenter Popmusik, doch ziehen sie sich ebenso gerne aus dem Scheinwerfer ins Kerzenlicht zurück.

Zentral ist bei allen Stücken der Gesang von Amy Millan und Torquil Campbell, die nicht selten eindringliche Duette liefern. Dazu verbinden sich musikalisch eine klassische Bandbesetzung mit Synthesizern, Drum Computer oder Streicher-Arrangements. Facettenreichtum, der jedoch einer geschlossenen Vorstellung folgt, statt zu überfordern.

Eine Band, die Stars zu ihren Haupteinflüssen zählen, sind The Smiths, was sich neben einer Liebe zu ergreifendem Pop-Pathos nicht zuletzt darin äußert, dass Romantik und Tragödie hier oft nah beieinanderliegen. Schon seit vielen Jahren erzählen Stars die Geschichte eines fiktionalen, namenlosen Liebespaares.

Immer wieder tauchen die beiden Figuren in Liedern auf und doch ist ihnen nie ein glückliches, gemeinsames Ende vergönnt. Auch nicht im aktuellen Stück „Look Away“, das eine klagende Lap-Steel-Gitarre mit mitternächtlichem Synthie-Pop der 80er kombiniert. Doch statt angesichts der nicht endenden Rückschläge in Tränen auszubrechen, schaffen Stars mit dem Lied eine beruhigende, verständnisvolle Atmosphäre. Mit derart harmonischer Begleitung ist man nur zu gerne traurig.

„Etwas angetrunken, ein bisschen weinerlich und leicht auf der Suche nach einem Kampf“ sei der perfekte Geisteszustand, um Stars zu hören, witzelte Torquil Campbell unlängst im Rahmen einer offenen Frage-Session der Internet-Plattform Reddit. Man spürt, was damit gemeint ist, wenn „Trap Door“ von bedrohlichen Synthies eingeleitet wird, bevor Campbell „When we’re standing in the dark it’s hard to see the light“ („Wenn wir im Dunkeln stehen, ist es schwer das Licht zu sehen“) singt und einen mitreißenden Chorus startet.

Es ist eine besondere Fähigkeit, auch den tragischen Momenten etwas Positives abzugewinnen. Stars besitzen sie und spielen sie nicht nur in einem Lied aus.

„Put your hands up if you ever feel afraid“ („Werft die Hände in die Luft, wenn ihr euch jemals ängstlich fühlt“), heißt es im Chorus des finalen Titeltracks, dessen Synthies euphorisch auf die Tanzfläche treiben. Die Band vermittelt bis zum Ende mit Nachdruck ihre Überzeugung, dass niemand mit seinem Kummer alleine ist. Dieses Album liefert trotz einiger Schatten viel Wärme und Licht für die kalten Tage.

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