Wir sind Walhall: Frankfurter „Ring“ abgeschlossen

Frankfurt/Main (dpa) - Werbung machen muss man für diese Produktion wahrlich nicht mehr: Zum einen hat es sich unter Opernfans herumgesprochen, dass der Frankfurter „Ring“-Zyklus keinen Vergleich zu Bayreuth noch anderen großen Opernhäusern scheuen muss.

Zum anderen sind die Karten für die zwei Durchläufe in dieser Spielzeit bereits vergriffen.

„Willig wartende Wagnerianer“ dichtete Pressereferent Holger Engelhardt Anfang Januar verzückt. Um Mitternacht wurde das Online-Kontingent für die acht Abende freigeschaltet - und war in 30 Minuten ausgeschöpft. Die andere Hälfte wurde telefonisch und an der Vorverkaufskasse der Oper angeboten. Als das Kassenhäuschen öffnete, hatte sich bereits eine lange Schlange Wartender gebildet, die trotz schlechten Wetters teils auf Klappstühlen ausharrten.

Zu Recht, möchte man sagen, nachdem Dirigent Sebastian Weigle und Regisseurin Vera Nemirova am Sonntagabend den vierten und letzten Teil des Mammutwerks auf die Bühne gebracht haben. Die „Götterdämmerung“ setzte einen absolut überzeugenden Schlusspunkt. Nachdem der „Siegfried“ zuletzt ein bisschen statisch daherkam, war nun auch wieder fürs Auge mehr geboten. Die Rheintöchter als Umweltaktivistinnen im Schlauchboot blieben zum Glück ein Ausreißer der ansonsten wohltuend zurückhaltenden Regie.

Die runde Bühne mit ihren konzentrischen Kreisen, die sich unabhängig voneinander drehen, heben und senken, wurde noch mal voll ausgereizt. Oben wabert wellig-blau der Rhein, in der Mitte erhebt sich steinern der Brünnhilden-Felsen, im Keller residieren die Gibichungen in einem Loft mit Cocktailbar. Beeindruckend ist bei dieser „Götterdämmerung“ nicht nur die gesangliche, sondern auch die schauspielerische Leistung der Sänger, etwa wenn die bekannten tiefen Schläge in Siegfrieds Trauermarsch Gunther treffen, der sich vor Reue und Verzweiflung windet.

Johannes Martin Kränzle - von der Zeitschrift „Opernwelt“ kürzlich zum „Sänger des Jahres“ gewählt - als Gunther und Gregory Frank als Hagen dürften als Halbbrüder-Paar kaum zu toppen sein. Herausragend wie immer der Chor, textverständlich wie eine einzige Stimme. Susan Bullocks Stimmgewalt kann auch nach kräftezehrenden fünfdreiviertel Stunden noch überzeugen. Am Ende wirft sie die lodernde Flamme ins Publikum, ein greller Blitz blendet die Zuschauer. Die Götter und Helden, die glitzernden Rheintöchter und die langhaarigen Nornen, die Opfer und die Täter dieser Geschichte bestaunen von der Bühne aus den imaginierten Weltuntergang im Parkett: Walhall, das sind wir.

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