Nuhr als Fotograf: Frontal auf fremdem Terrain

Der Kabarettist Dieter Nuhr reist und fotografiert - und stellt seine Bilder derzeit in einer Essener Galerie aus

Der Kabarettist Dieter Nuhr zeigt ab Ende Januar neue Fotoarbeiten in einer kleinen Schau.

Der Kabarettist Dieter Nuhr zeigt ab Ende Januar neue Fotoarbeiten in einer kleinen Schau.

Foto: Jörg Carstensen

Essen. Die Fotos sind aufgenommen in Südchile, Mali, Nordkorea, Iran oder Indien. Dieter Nuhr (54) reist viel. Und die Kamera ist immer dabei. Der Kabarettist studierte einst an der ehemaligen Folkwangschule Essen Bildende Kunst. Und hat nie aufgehört, Bilder zu produzieren. Seine Ausstellung „Fremdes Terrain“ ist in der Obrist-Galerie in Essen zu sehen. Ein Gespräch.

Herr Nuhr, wie finden Sie die Zeit zum reisen?

Dieter Nuhr: Diese Zeit wird systematisch frei gehalten. Es gibt immer vier, fünf Reisezeiten im Jahr.

Und wie reisen Sie?

Nuhr: Manchmal mit meiner Frau, meistens mit Freunden. Manchmal auch mit meinen Freunden und meiner Frau, das ist dann eine sehr skurrile Reisegruppe. Mit rüdem Umgangston — wie das so ist unter Jungs. Aber meine Frau hält da durchaus mit.

Sie reisen, um zu fotografieren?

Dieter Nuhr: Schon stark — was mir auch erst auf den Reisen aufgefallen ist. Ich suche Flecken, die etwas Exemplarisches haben, von denen man etwas ablesen kann. Eher ein assoziativer Zusammenhang. Ich kann jetzt nicht sagen: Was kann ich aus diesem Bild über Indien ablesen? Aber das Verhältnis zu den Gegenständen, das kann viel aussagen. Auf einem der Bilder baut irgendjemand in Indien in einer überfüllten Straße einen Beton-Sonnenschirm auf. Völlig absurd, wahrscheinlich hat hier nie jemand Schatten gesucht. Es hat eine vergängliche Schönheit. Das trifft - glaube ich - auf alle meine Bilder zu: Sie haben etwas Schönes, Melancholisches und eine gewisse Atmosphäre.

Sind Sie bei den Ausstellungseröffnungen stets vor Ort?

Nuhr: Eigentlich schon. Weil ich es schön finde, die Bilder in anderen Räumen zu sehen. Das wäre auch mein Ehrgeiz gewesen mit der Kunst. Ich wollte ja Künstler werden, wollte von meiner Kunst leben. Aber wusste nie, wie man das vermarktet. Was Vermarktung angeht, bin ich total dämlich.

Mit Verlaub, das glaube ich Ihnen nicht.

Nuhr: Ich weiß, wie das Geschäft mit der Comedy funktioniert, aber das hier überlasse ich dem Galeristen. Da möchte ich gar nicht mitreden. Ich bin Gott sei Dank in der Lage, durch das, was ich auf der Bühne gemacht habe, so viel Geld zu verdienen, dass das hie nicht mein Antrieb ist.

Hängen diese Bilder auch bei Ihnen daheim in Ratingen?

Nuhr: Zum Teil. Wir haben auch viel krudes Zeug. Und leben gerne damit. Komische Objekte wie eine Bodenarbeit von Sophie Erlund: Eine schwarze Plexiglas-Platte, die einen See nachbildet, darauf steht ein Tipi, was aber auch ein bisschen aussieht wie eine Vagina. Die treibt manchen aus dem Haus. Wir haben lange gebraucht, bis unsere Putzfrau sich getraut hat, sie sauberzumachen.

Was ist ihre Leitlinie für Ihre kunstvolle Fotografie?

Nuhr: Alles ist frontal aufgenommen, eine Art wissenschaftlicher Blick. Es gibt keine stürzenden Linien. Klare Strukturen, freie Flächen stehen gegen gefüllte Flächen. Und offenbar habe ich eine Tendenz, etwas Altes und Verrottetes zu zeigen. Etwas, das sich nicht selbst darstellt, sondern die Spur von etwas anderem ist. Eben etwas Gelebtes.

Haben die Reisen den Blick auf das verändert, was hier stattfindet? Stichwort Pegida?

Nuhr: Weil man mich ja plötzlich als Islamkritiker ausgemacht hat — was ich natürlich auch ein Stück weit bin, weil ich die Radikalität, die im Islamismus steckt, unerträglich finde — gewinnt man viele falsche Freunde. Bei Pegida sind viele Leute dabei, die genauso radikal sind wie die Islamisten. Ich werde von Tag zu Tag ein größerer Freund der bürgerlichen Mitte. Ich möchte keine Radikalinskis um mich herum haben, die anderen ständig erklären, wie sie zu leben haben. Ich habe immer eine relativ liberale Haltung gehabt und hatte damit früher eine Heimat, die links war. Diese Heimat hat sich in Radikalität und Ordnungswahn verändert. Ich fühle mich da nicht mehr zuhause.

Hat sich diese Sicht mit Ihrer Persönlichkeit entwickelt?

Nuhr: Ich war immer schon ein freiheitsliebender Mensch. Da helfen auch diese Reisen: zu sehen, dass es so viele unterschiedliche Entwürfe gibt.

Irgendwo ein Ideal entdeckt?

Nuhr: Nein, im Gegenteil. Es gibt überall auf der Welt sehr viele Verrückte. Das bestätigt mich darin, dass man das mit Humor nehmen muss.

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