Philosophen sollen sich einmischen

In Münster treffen sich Experten aus der ganzen Welt. Ihre Denkansätze kommen aber nur selten in der Gesellschaft an.

Philosophen sollen sich einmischen
Foto: dpa

Münster. Philosophen sollen sich mehr in gesellschaftlichen und politischen Debatten einmischen, meint Michael Quante. Der Professor für Praktische Philosophie der Universität Münster fordert von seinen Kollegen, auch in den Medien präsenter zu sein. Bis Donnerstag treffen sich in Münster Geisteswissenschaftler zum 23. Deutschen Kongress für Philosophie.

Herr Quante, brauchen wir eigentlich die Philosophie?

Michael Quante: Ob Philosophie gebraucht wird, hängt von der Art des Chaos ab, welches besteht oder empfunden wird. Beim sprichwörtlichen Verkehrschaos oder einer chaotischen Planung ist Philosophie sicher nur als Unterstützung der inneren Ruhe hilfreich.

Aber als Meditationshilfe sieht sich die Philosophie ja wohl nicht.

Quante: Nein, sicher nicht. Viele Menschen erleben die gegenwärtige gesellschaftliche Lage in ethischer Hinsicht als chaotisch. Fortschritte in Medizin oder Lebenswissenschaften, zunehmende Säkularisierung und verstärkte Pluralität von Lebensformen stellen uns, genauso wie die dramatischen internationalen Krisen, vor zahlreiche normative Probleme. An dieser Stelle kann und sollte die Philosophie sich in die allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Debatten einmischen. Sie kann darüber hinaus auch für individuelle Fragen nach Sinn und Ausrichtung der eigenen Lebensführung Gesprächsangebote machen.

Die Philosophie gibt also Orientierung — quasi als Religionsersatz?

Quante: Die Philosophie bietet Orientierung, indem sie zum einen durch Begriffsklärung und durch Unterscheidung von Argumenttypen sowie durch die Identifizierung der jeweiligen Begründungslasten die Vorbedingungen für eine rationale Diskussion schafft. Zum anderen kann sie im individuellen Fall aus dem Fundus der Philosophie die bisher entwickelten Positionen und deren kritische Erörterung bereitstellen.

Welche Frage steht aktuell im Mittelpunkt der Forschung?

Quante: Es gibt nicht die eine Frage, auch wenn immer mal wieder einzelne Debatten oder Problemstellungen besonders ins Blickfeld geraten. Beispiele hierfür waren in den vergangenen Jahrzehnten die Philosophie des Geistes oder auch der Klassiker und die Frage: Wie frei ist unser Wille? Mit Blick auf gesellschaftliche drängende Fragen sind die normativen Grundlagen der Inklusion ein kommendes Thema.

Kommt von den Überlegungen der Philosophen genug in der Gesellschaft an?

Quante: Es wäre wünschenswert, wenn in den Medien vor allem Fachphilosophen als Philosophen gefragt würden. Hier gibt es derzeit eine Schieflage.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Unwiderstehliche Grusel-Revue
Acht Schauspiel-Talente begeistern im Düsseldorfer Doppelstück „Das Sparschwein/Die Kontrakte des Kaufmanns“ Unwiderstehliche Grusel-Revue
Zum Thema
Aus dem Ressort