Requiem für ein Busenwunder

Das Dortmunder Opernhaus zeigt das tragische Leben des ehemaligen Starlets Anna Nicole Smith als musikalisches Drama.

Dortmund. Eine Sexbombe auf der Opernbühne? Keine alltägliche Vorstellung. Doch der Brite Mark-Anthony Turnage schrieb 2011 das Musikdrama „Anna Nicole“, in dem er die Tragödie des berühmt berüchtigten Models Anna Nicole Smith erzählt. Das Busenwunder aus Texas wollte Anfang der 90er hoch hinaus und heiratete den 89-jährigen Ölmilliardär J. Howard Marshall. 1995 starb er, und ein jahrelanger Erbstreit zwischen der Familie und Anna Nicole begann.

Die Yellow-Press-Ikone, die sich durch einen ewigen Rausch mit Sex und Drogen, Schönheitswahn und Glamour zugrunde richtete, starb 2007 mit 39 Jahren an einem Medikamenten-Cocktail in Hollywood. Ein Schicksal, das in seiner Lebensgier auch an Verdis „Traviata“ erinnert. Nach der spektakulären Uraufführung in der Londoner Royal Opera, in der die Trashdiva mit hohem C und 36 Doppel-D-Brüsten gefeiert wurde, kommt „Anna Nicole“ erstmals in Deutschland heraus, im Dortmunder Opernhaus.

In der Titelpartie Emily Newton — ebenfalls eine blonde Texanerin, die Anna Nicole verblüffend ähnlich sieht. „Das ist eher Zufall“, lächelt die Sopranistin, die mit dieser Rolle in Deutschland Fuß fassen will. Ihre Spezialität ist das lyrisch dramatische Fach, Rollen in Mozart und Verdi-Opern, die sie an der New Yorker Met gesungen hat.

„Von dem Skandal mit Drogen und dem Erbstreit habe ich nur gehört. Das hat mich nicht interessiert“, sagt sie. Sie kannte den Namen von aber aus der Zeit, als Anna Nicole noch für das Modelabel Guess arbeitete. Von ihrer späteren Reality-Show, in der das frühere Playmate ihre Privatsphäre öffentlich machte, war Emily indes weniger angetan.

Die Episoden-Oper, inszeniert von Dortmunds Intendant Jens-Daniel Herzog, erzählt von Drogenabhängigkeit, von Macht und Ehrgeiz einer Frau, die sich manipulieren ließ und selbst manipulierte. Sie beginnt und endet mit dem Tod der Diva. In Rückblenden kommen ihre Mutter und ihr Sohn Daniel zu Wort, der 2006 mit 20 an einer Überdosis starb.

Ebenso der greise Milliardär, seine Familie und Starmoderator Larry King. Das Finale: ein Blues als Aufschrei — gesungen von Anna Nicole, die sich mit Pillen vollstopft. „Das Schicksal der Frau, deren sämtliche Modelverträge gekündigt wurden, die im Niedergang selbst den Tod ihres Sohnes vermarktet hat, berührt mich sehr“, so Newton.

Die rhythmisch markante Musik von Mark Turnage erinnert an Strawinsky, aber auch an amerikanische Komponisten, manchmal an Brecht/Weill. Bis auf eine Arie dominieren daher Sprechgesänge. Bleibt abzuwarten, wie man in Dortmund auf dieses Opus reagieren wird.

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