Schauspielhaus Bochum: Goldoni als Gagmaschine

David Bösch inszeniert „Der Diener zweier Herren“ in Bochum.

Bochum. Triebe können sprechen. „Hunger“ “, knurrt es gut vernehmlich aus Truffaldinos unterversorgtem Magen, und sein Herr kann das missgestimmte Organ einfach nicht zum Schweigen bringen. In Tanktop und Schlabberhose gibt Nicola Matroberardino einen ziemlich abgerissenen Diener, der italienische Schlager singen und mit Achselgeruch Gegner in die Flucht schlagen kann — und der sich zwecks Grundversorgung gleich bei zwei Herren verdingt.

Regisseur David Bösch siedelt seine Inszenierung von Goldonis Klassiker „Der Diener zweier Herren“ in einem italienischen Kleingangster-Milieu der 50er Jahre an: Die Vespa knattert, die Lichterkette leuchtet bunt, es wird viel mit Pistolen gefuchtelt und auf dicken Max gemacht — was dem absurden Plot zunächst durchaus entspricht.

Da flüchtet Florindo nach Venedig, weil er den Bruder seiner Geliebten Beatrice erschlagen hat. Die fährt ihm als Mann verkleidet hinterher, wird für ihren toten Bruder gehalten, der wiederum die Tochter Pantalones heiraten sollte, die eigentlich einen Silvio liebt.

So durchgeknallt die Handlung, so überdreht die Inszenierung. Von der berühmten Terence Hill-Nummer mit dem Händeklatschen, bis man die Pistole des Gegners hat, über Augenstechereien wie bei Laurel und Hardy, einer Eifersuchtsszene mit Schaumstoff-Baseballschläger inklusive Zeitlupe oder dem großen kitschigen Doppelselbstmord der Liebenden — Bösch lässt nichts aus auf der leicht schrägen Bretterbühne, die Thomas Ruppert für das Bochumer Schauspielhaus entworfen hat. Die Anregungen stammen aus der alten Commedia dell’Arte, aus Oper und Film und das ist durchaus unterhaltsam.

Doch Bösch missachtet ein Grundgesetz der Komödie: Pointen haben etwas mit Ökonomie zu tun. In Bochum aber jagt ein Gag den nächsten und unterminiert so den dramaturgischen Zusammenhang. Die Ausbeutung des Dieners bleibt Beiwerk, der Hunger ein Running Gag, die Gangster hohle Testosteron-Bolzen — der Witz wird selten bedrohlich oder abgründig.

Die Inszenierung scheint immer wieder selbstverliebt stillzustehen angesichts der eigenen komischen Einfälle. So bleibt der Abend ein zwiespältiges Vergnügen, das bei der Premiere mit Bravo- und Buhrufen gleichermaßen quittiert wurde. Das Schauspielhaus Bochum zeigt „Der Diener zweier Herren“ am 8., 14. und 20. Dez. um 19.30 Uhr, am 26. Dez. um 19 Uhr. Karten kosten von 12 bis 29 Euro. Tel. 0234 / 33 33 55 55

schauspielhausbochum.de

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