Sie reden für die Freiheit

Juli Zehs „203“ gerät zur allzu leichten Unterhaltung.

Düsseldorf. Nein, diesen Spaß versteht Thomas nicht. Er will wissen, wo sich der Moderator Guido Cantz versteckt. Und überhaupt, warum nennen ihn alle Thomas? Wer sind die drei in diesem Zimmer mit Plastikschonbezügen über Sessel und Sofa? „Die Welt ist groß, der Mensch ist frei, willkommen auf 203“, singen sie ihm aufmunternd beim Aufwachen zu.

Wie ihm geht es dem Zuschauer in Juli Zehs Theaterstück, das sie für das Düsseldorfer Schauspielhaus geschrieben hat. Die Bewohner aus 203 knallen einem vermeintlich gesellschaftskritische Thesen um die Ohren, kommen von Sicherheitsverwahrung zu Natascha Kampusch, vom Anti-Terror-Kampf zur neuen Diktatur, die bestimmt ist von Fürsorge und Entertainment. Rausgehen ist Unterwerfung, meint Leo (Karin Pfammatter). „Die Geschichten, die wir uns über unser Leben erzählen, sind der Kern unserer Freiheit“, sagt sie. Darum reden Leo, Christa und Betty. Dabei spielen sie Vater, Mutter, Kind. 14 Stunden am Tag.

„Kant meinte, dass die Dinge da draußen sowieso nur Erscheinungen sind. Wir können nur sehen, was unsere Sinne uns zeigen“, erklärt Betty (Viola Pobitschka). Also muss sich Thomas (Gunther Eckes) auch nicht aufregen, dass die Tür verschlossen ist. Als „Herdenmanagement“ bezeichnet Christa (Pierre Siegenthaler) Politik. Für ihn, Christa ist ganz offensichtlich ein Mann, sind Menschen Mastvieh und keine Bürger mehr. Unterbrochen wird ihre durch Worte geschaffene Wirklichkeit von zwei Wärterinnen, die den Insassen Schläuche in die Hälse schieben. Mästen bis zum gewünschten Gewicht, so lautet ihr Auftrag.

Bis auf diesen Gewaltakt inszeniert Regisseur Hans-Ulrich Becker das Kammerspiel möglichst unterhaltsam. Mit einem Hirschgeweih an der Wand und Heidi-Gejodel betont er das Komische. Bemerkungen der Wärterinnen finden Eingang in die Gespräche der Bewohner, wandeln ihre Geschichte. Ob Betty nun ein Kind hat oder nicht, ist Ansichtssache. Sie sagt: „Eine Mutter spürt das.“ Dieser Mechanismus ist ganz amüsant. Doch wohin Zehs allzu allgemeine Thesen führen sollen, bleibt unklar.

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