Krimi-Autoren: Die Stars aus Europas Norden

Schweden, Norwegen, Dänemark und Island haben eine ganze Reihe guter Krimi-Autoren hervorgebracht. Eine Bestandsaufnahme.

Düsseldorf. „Die Skandinavier sind eigentlich nicht einverstanden, wenn man ihre Kriminalliteratur pauschal als Skandinavien-Krimis bezeichnet. Es gibt schließlich Unterschiede in der Literatur der einzelnen Länder“, erklärt Tobias Gohlis. Der Literaturkritiker könnte sich höchstens mit dem Begriff „Nordische Literatur“ anfreunden. „Da gehören dann wenigstens auch Finnland und Island zu“, sagt er.

Gohlis räumt gleich mit einem zweiten Missverständnis auf: „Wer sich wirklich mit Nordischer Literatur beschäftigt, wird merken, dass es dort hervorragende Autoren gibt, die sich selten mit den allgemein als Superstars der Szene wahrgenommenen Autoren decken. So halte ich zum Beispiel den Dänen Jussi Adler-Olsen mit seiner unangenehmen Neigung zu Pseudosadismus für überschätzt“, so Gohlis.

Für ihn hat Schweden im Laufe der Jahre besonders viele gute Autoren hervorgebracht. Unter ihnen Arne Dahl („sozialkritisch, kulturpessimistisch“) und Håkan Nesser. „Nesser ist ein klarer Denker. Besonders interessant ist, dass seine ersten Romane zwar in irgendeinem nordischen Land spielen, das aber nicht genau verortet wird. Erst mit Inspektor Barbarotti wird der Ort des Geschehens genauer lokalisiert. Die Hinterfragung der menschlichen Existenz ist in all seinen Büchern wesentlicher Bestandteil“, sagt der Experte.

Die Eltern des sozialkritischen Krimis sind die Schweden Maj Sjöwall und Per Wahlöö. „Sie haben in den 60er-Jahren auch die Deutsche Kriminalliteratur mobilisiert“, sagt Gohlis. Früher als in der Bundesrepublik wurden in der DDR die Schwedenkrimis gerne und viel gelesen. Mit den Büchern des Autorenpaares ist die erste sogenannte „Schwedenkrimiwelle“ über Deutschland hinweggerollt, der mit den Büchern von Håkan Nesser und Henning Mankell Anfang der 90er Jahre die zweite und mit der Millenium-Trilogie des verstorbenen Stieg Larsson die dritte folgen sollte.

An internationalen Standards orientiert sich auch der Norweger Jo Nesbø. „Daher steht er nicht in der sozialkritischen Tradition der nordischen Literatur, sondern weidet das Thema Serienkiller aus“, sagt Gohlis. Nur sein Ermittler könnte als typisch für die Polizisten im Norden durchgehen: Schwer melancholisch, einsam, alkoholkrank.

„Ähnlich der Held des erfolgreichsten Isländers Arnaldur Indriason“, sagt der Experte. Nur in Finnland sind es häufig gangsterartige Figuren, die in den Krimis einer Rolle spielen — was nicht zuletzt an der Lage des Landes liegt. Relativ gering besiedelt zählt sich Finnland nicht direkt zur westlichen Welt. „Matti Rönkä hat zum Beispiel einen Helden, halb Finne, halb Russe, der sich durchs Leben schlägt“, sagt Gohlis.

Die weiteren Protagonisten in nordischen Krimis sind häufig eher einfache Menschen oder gar aus der Unterschicht. Denn: Obwohl die nordischen Länder Wohlstandsländer sind, haben sie ein starkes Bewusstsein für Klassenunterschiede und legen ihr Augenmerk oft auf die Ärmsten im Lande.

„Fazit ist also, dass die nordischen Länder eine ganze Reihe ganz großartiger Krimiautoren hervorgebracht haben. Einheitliche Merkmale, die für alle nordischen Länder gelten, gibt es aber eher weniger“, sagt Gohlis.

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