Krimis aus Frankreich: Mord in der Grande Nation

Sadisten und Psychopathen kommen in Krimis aus Frankreich selten vor. Sie gelten dafür eher als realistisch und tiefgründig.

Düsseldorf. Jean Reno ist einer der großen französischen Schauspieler unserer Zeit. Seine Filme sind über die Grenzen der Grande Nation hinaus Erfolgsgaranten. Und er hat mit seinem Ruhm auch den ein oder anderen Kollegen, Drehbuchautor oder Regisseur groß gemacht.

Einer von ihnen: Jean-Christophe Grangé. Mit Reno in der Rolle des Polizisten Pierre Niémans in der Verfilmung von „Die purpurnen Flüsse“ ist Grangé zu einem der bekanntesten französischen Krimi- und Thrillerautoren aufgestiegen — und bis heute geblieben.

Düster, schnell und vollgestopft mit hollywoodreifen Actionszenen sind die Geschichten des Parisers Grangé. Beinahe ein Gegenpol zu den Werken Dominique Manottis. „Sie schreibt das Beste, was es momentan an gesellschaftskritischen Krimis gibt. Und das nicht nur innerhalb Frankreichs, sondern auf internationaler Ebene“, sagt Thekla Dannenberg vom Onlinemagazin für Literatur und Kultur, Perlentaucher.de.

Für Dannenberg kann mit Dominique Manotti höchstens noch Fred Vargas mithalten. „Sie ist ein bisschen poetischer, sehr charmant.“ Für Werke aus ihren beiden Reihen um Kommissar Adamsberg sowie um Kehlweiler und die drei Evangelisten wurde sie schon mehrfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet, allein die Krimi-Welt-Bestenliste (seit 2010 Krimi-Zeit-Bestenliste) hat ihre Bücher schon viermal zum Krimi des Jahres gekürt. „Ihre Werke sind mit viel Sorgfalt konstruiert, oft stehen die Charaktere im Vordergrund, weniger der Fall“, sagt Dannenberg.

Über Namen wie Jean-Christophe Grangé, Dominique Manotti und Fred Vargas, die die französische Krimiszene der Gegenwart regieren, vergisst mancher ganz, dass auch die Franzosen zur Entwicklung der Krimiszene maßgeblich beigetragen haben. Als da wäre Émile Gaboriau, der 1866 mit „Die Affäre Lerouge“ den ersten Roman Policier (dt. Krimi) in Frankreich geschrieben hat. Und nicht nur das, sagt Thekla Dannenberg: „Damit ist er nach Edgar Allan Poe Begründer des Krimis überhaupt.“ Seine literarische Figur, Inspektor Lecoq, gilt gar als Sherlock Holmes’ Vorgänger.

Neben Detektiven sind in Frankreich in erster Linie Polizisten dem Bösen auf der Spur. „Da sind die Franzosen heute nach wie vor republikanisch. Die Polizei wird nie so korrumpiert dargestellt wie zum Beispiel in US-Krimis“, erklärt Dannenberg. Einer der bekanntesten französischsprachigen Ermittler: Jules Maigret von dem belgischen Schriftsteller Georges Simenon.

Maigret ermittelt in mehr als 75 Romanen, wurde in viele Sprachen übersetzt und verfilmt. „Er ist ganz typisch die moralische Instanz. Er ist ein großer Menschenfreund und -kenner. Seine Fälle sind nicht an den Haaren herbeigezogen, nicht oberflächlich. Sie vermitteln einen klugen Blick auf die Menschen“, sagt Dannenberg.

Diese Tiefgründigkeit und die schlüssigen Motive sind ebenfalls typisch französisch. Sadisten, motivlose Psychopathen oder Serienmörder müssen fast immer hinter einem eher realistischen Blick auf die Welt zurückstecken.

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