Theater: Im Zwiegespräch mit der Wand

Christoph Marthaler inszeniert in Köln „Oh, it’s like home“.

Köln. Christoph Marthaler liebt Heimatabende und Kammerkonzerte der besonderen Art. Auch in seiner neuen Inszenierung, der ersten am Kölner Schauspiel, „Oh, it’s like home“ wird gesungen, gesummt und von einem stummen Pianisten Chopin und Bach gespielt — auf einem alten Zimmerklavier. Wie stets beim gebürtigen Schweizer Opern- und Theaterregisseur starren die spröden Figuren in altmodischer Kleidung vor sich hin, sprechen kaum mit den anderen und reden von sich — kaum von Gott, aber viel von ihrer kleinen Welt und wie sie sie empfinden, wie sie unter ihr leiden.

Melancholisch, skurril, mal trist, mal komisch wirken drei Frauen und ein Mann, die zwar in einem Haus wohnen, aber wenig miteinander zu tun haben und sich nur selten direkt ansprechen. Geschrieben hat die Lebenserzählungen Marthalers Ehefrau Sasha Rau, die auch eine der Frauen spielt, die sich gut 100 Minuten lang wie in Trance bewegen.

Im praktischen 60er-Jahre Giebelhaus, das als Kulisse dient, ist alles mit Nussbaum furniert: Einbauschränke, Schrankwände mit ein paar verlorenen Büchern, ein Ausziehtisch und eine Treppe. Auf dieser geht das Quartett herauf und herunter, verängstigt, unentschlossen und extrem langsam. Eile oder Hetze sind ihnen fremd, genauso wie energiegeladene Wortgefechte, nach denen man sich nach der mäßig gefeierten Uraufführung in der Kölner Halle Kalk sehnt. In dem gemeinsamen Heim kramen sie in Erinnerungen, liegen wie Kinder in Etagenbetten, pfeifen und singen „Leise rieselt der Schnee“. Bettina Suchy (als Hanna Lendi) berichtet von einem Schlachthof, Sasha Rau (als Gunda Krass) von sengenden Gerüchen einer chemischen Reinigung. Plötzlich hockt sie vor einem Weihnachtsbaum, starrt ihn an und zerlegt ihn in seine Einzelteile.

Starmime Josef Ostendorf (als Egon Richter) denkt sich zurück in den Speisesaal eines Kinderheims. Er möchte allein sein und Luftschlösser bauen. Aparte Traumsequenzen beschwört Silvia Fenz (als Ilse Schafleitner): Sie will in Ruhe ein Buch lesen und setzt sich zu diesem Zweck in den Kamin. Es rieselt Schnee, dann fährt sie wie eine kleine Hexe durch den Schornstein gen Himmel. Auch sie ist, ähnlich wie ihre Mitbewohner, eine ungefährliche Neurotikerin und scheinbar der Welt abhandengekommen.

Häufig reden die vier alleine vor sich her oder sind mit der Wand im Zwiegespräch. An absurdes Theater erinnern Fragen, die mit Nonsens-Antworten quittiert werden. Die Machart ist bekannt, amüsiert am Anfang. ermüdet aber nach zahlreichen Wiederholungen. Fazit: ein schwach gebautes handlungsarmes Stück, das sich mit Rätselhaftigkeit drapiert und in dem mehr geschwiegen als gesprochen wird. Die Inszenierung wirkt lähmend langsam, manchmal auch absurd komisch, typisch Marthaler. Weitere Vorstellungen Donnerstag, am 25., 27. und 31. Januar sowie 1. bis 3. Februar in der Halle Kalk/Köln. Karten unter Telefon 0221/221 28 400.

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