Weltliteratur in Sprechblasen

Von Goethe bis Kafka: Das Geschäft mit anspruchsvollen Werken in Comic-Form beschert Verlagen einen neuen Markt.

Hamburg/ München. Micky Maus, Donald Duck, Asterix oder Batman sind klassische Comic-Helden. Doch sie bekommen von unerwarteter Seite Konkurrenz: Immer mehr anspruchsvolle Werke gibt es auch als Bildergeschichten — von Goethes „Faust“ über Kafkas „Die Verwandlung“ bis zu Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.

Das Geschäft mit der Weltliteratur in Comicform „läuft gut“, sagt Programmleiter Ralf Keiser vom Hamburger Carlsen-Verlag, einem der Marktführer in der Comicsparte. „Man kann von fünfstelligen Verkäufen sprechen. Das ist für das Segment sehr gut.“

In dem „Faust“-Band des Berliner Zeichners Flix wird der mit Jeans und Fusselbart auf modern getrimmte Titelheld zum Berliner Taxifahrer, sein Gretchen zur Bioladenverkäuferin. Der Anmachspruch in der Sprechblase bleibt aber klassisch: „Schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?“

Denn die Literaturcomics nehmen ihre bedeutenden Vorlagen ernst, wollen die großen Texte zwar eingedampft, aber möglichst ohne Abstriche bei Sinn und Gehalt an den Leser bringen. So hält sich auch die im Münchner Knesebeck-Verlag erschienene Bildergeschichte „Die Verwandlung“ des französischen Comicautors Eric Corbeyran und des Zeichners Richard Horne eng an ihre Vorlage — Franz Kafkas Erzählung über den bedauernswerten Gregor Samsa, der sich in eine riesige Schabe verwandelt.

Für Knesebeck-Sprecherin Jule Menig sind Comics ein idealer Weg, sich sperrigen Stoffen anzunähern: „Das kann die Scheu vor großen Schriftstellern abbauen.“ Als Käufer der Sprechblasen-Literatur haben die Verlage nicht die typischen jugendlichen Comicfans, sondern eher den gut situierten Leser über 30 ausgemacht, denn die Bildchenbände sind nicht gerade billig.

Ein Schwarzweiß-Comic wie „Paul Austers Stadt aus Glas“ (Reprodukt-Verlag) kostet 14 Euro, für die Comic-Adaption des Bradbury-Romans „Fahrenheit 451“ (Eichborn-Verlag) müssen 22,95 Euro hingeblättert werden.

Aufwendiger gestaltete „Pop-up-Bücher“ nach Werken von Mary Shelley („Frankenstein“) oder Herman Melville („Moby Dick“, beide bei Knesenbeck) kosten knapp 30 Euro. Doch der Verkauf läuft gut. Die Verlage suchen daher ständig neue Ideen. Sogar der angesehene Suhrkamp-Verlag plant Bildergeschichten nach Stoffen von Autoren wie Peter Handke oder Max Frisch.

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