Werner Spies: Der gekränkte Kunstexperte

Werner Spies gehört zu den renommiertesten Kunsthistorikern Deutschlands. Doch sieben gefälschte Ernst-Gemälde hat er nicht erkannt.

Düsseldorf. Ohne den weltweit anerkannten Kunsthistoriker Werner Spies hätte Wolfgang B. seine gefälschten Max-Ernst-Werke wohl kaum auf den Markt bringen können. Der 74-Jährige, einst Freund von Max Ernst (1891— 1976) und Pablo Picasso (1881— 1973), fiel auf den Pinselstrich des Fälschers herein. Und das gleich sieben Mal. Mit den Echtheits-Expertisen von Spies wurden die vermeintlichen Meisterwerke von Max Ernst für Millionen verkauft.

Doch Beltracchi wurde entlarvt und verurteilt. Spies und andere hatten noch Glück, dass der Fälscher ein Geständnis ablegte. So blieben ihnen im Prozess peinliche Befragungen erspart, die die nicht immer transparenten Praktiken im Kunstmarkt offenbart hätten.

Dennoch geriet durch den Skandal sein Lebenswerk ins Wanken. Erstmals äußerte sich der langjährige Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie (1975 — 2002) im „Stern“ zu den persönlichen Folgen.

Spies reichte für seine Gutachten immer der Augenschein aus. Dass ihm Fälschungen präsentiert wurden, kann er bis heute kaum glauben. „Einen Beweis der Unechtheit habe ich bis heute nicht“, sagt er. „Ich habe eine so einfühlsame Fälschung noch nie gesehen“. Und: „B. ist ein genialer Klon von Max Ernst.“

Persönlich hat Spies den Fälscher nie getroffen. Die Bilder zeigten ihm dessen ebenfalls verurteilte Frau Helene und der Komplize Otto S.-K. Dass ihm immer neuer Nachschub aus der vermeintlichen Sammlung Jägers präsentiert wurde, beunruhigte ihn nicht.

Auch dass es sich um bisher unbekannte Werke seines Freundes Ernst handeln sollte, machte Spies nicht misstrauisch. Im Gegenteil: „Für mich waren das Bilder, die im Werk von Max Ernst fehlten“, sagt er und wiederholt damit fast wörtlich eine Gerichtsaussage von B..

Für seine Expertisen kassierte Spies von B. insgesamt rund 400 000 Euro Provision, wie Spies’ Anwalt Peter Raue bestätigt. Der Experte vermittelte die von ihm begutachteten Werke zum Teil auch weiter, etwa an die Kunstsammlung Würth.

Das von Spies für echt befundene Bild „La Forêt (2)“ ging nach mehreren Weiterverkäufen für die Rekordsumme von 5,5 Millionen Euro an den US-Verleger Daniel Filipacchi. Dabei hatte eine Gutachterin nach chemischer Analyse bereits 2003 eine Fälschung festgestellt. Dieses Negativgutachten hatte Otto S.-K. zuhause versteckt.

Im Prozess machte sich B. lustig über Spies. In Frankreich läuft noch ein Schadenersatz-Prozess gegen den Experten und einen Galeristen.

Seit der Aufdeckung des Fälscherskandals plage ihn täglicher Schwindel, sagt Spies im Interview. „Dieser Ansehensverlust! Da kam mir schon der Gedanke, mich von dieser Welt zu verabschieden.“

Dann habe er aber angefangen, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Schließlich habe er viel zu erzählen. Picasso zum Beispiel habe am Ende seines Lebens nur noch drei Menschen empfangen: „den Friseur, den Schneider und den Spies“.

500 Seiten seines Buches mit dem Titel „Mein Glück“ seien fertig. Den Fälscherskandal erwähne er nur ganz am Schluss. Spies ist gekränkt. „Da erzähl ich diese unglaublich verletzende Geschichte aus meiner Sicht.“

Immerhin habe er ja rund 400 Fälschungen aus dem Verkehr gezogen. „Ohne meine Expertise kann man einen Max Ernst nicht verkaufen“, betont Spies. „Und ich habe mich nur sieben Mal täuschen lassen.“

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