Debatte um Diäten: Zwischen Neid und Selbstbedienung

Der Diätendebatte täte eine Versachlichung gut

Die meisten Experten, die am Donnerstag die geplante Diätenerhöhung skeptisch bewerteten, haben der Mehrheit der Bürger aus dem Herzen gesprochen. Denn viele können von 10 000 Euro Monatsgehalt, wie sie Abgeordnete erhalten, nur träumen, bangen um ihren Arbeitsplatz und fürchten sich vor Altersarmut. Bei den 181 NRW-Volksvertretern ist das vermeintlich ganz anders. Sie scheinen aus dem Vollen schöpfen zu können.

Dass bei dieser Stimmungslage eine Diätenerhöhung alles andere als populär ist, leuchtet ein. Zumal die Einkommen der Parlamentarier nicht nur gefühlt überdurchschnittlich sind und besonders beim Staat die Signale auf Sparen stehen sollten.

Zudem irritiert, dass sich die NRW-Abgeordneten erst 2005 für ihre Diätenreform feiern ließen und Maßhalten versprachen. Kernpunkt war, dass die Pensionen künftig nicht mehr so üppig wie in der Vergangenheit fließen und die Politiker selbst dafür in ein Versorgungswerk zahlen müssen.

Das hohe Einkommen der Abgeordneten relativiert sich seitdem durchaus, weil sie davon rund 1600 Euro für ihre Altersversorgung abzweigen müssen. Krankenkasse und Steuern, aber auch eine Mandatsabgabe oder einige Büro- und Fahrtkosten gehen ebenfalls ab. Es gibt Berechnungen, nach denen von den 10 000 Euro weniger als 4000 Euro übrig bleiben. Wobei auch 4000 Euro netto für die meisten Menschen sehr attraktiv sind.

Dennoch ist es nur fair, wenn die Öffentlichkeit sich um eine unaufgeregte Diätendebatte bemüht. Zumal es bei der jetzt angestrebten Erhöhung auch darum geht, Fehlkalkulationen beim Versorgungswerk auszugleichen. Die Devise lautet: Den Abgeordneten scharf auf die Finger schauen, dass sie keinen Selbstbedienungsladen aufmachen, aber eine reine Neiddebatte ist ebenfalls zu kurz gegriffen.

Auch wenn kaum jemand nur aus finanziellen Gründen in die Politik geht, sollte die Gesellschaft die Volksvertreter vernünftig entlohnen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass qualifizierte und engagierte Persönlichkeiten sich Lukrativeres suchen.

Ideal wäre, wenn Politik wie gelegentlich im kommunalen Bereich als Ehrenamt funktionierte: Die Entscheider verlören dank ihrer sonstigen Tätigkeit nie die Bodenhaftung. Aber dazu ist leider das politische Geschäft zu komplex geworden.

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