Debatte um Suizidbeihilfe: Die Menschen nicht in die Isolation treiben

Die Debatte um die Suizidbeihilfe und das Risiko

Es ist eine verstörende Zahl: Jährlich töten sich etwa 10 000 Menschen in Deutschland. Wie sie das tun, sagt die Statistik nicht. Die allermeisten werden es sich nicht leisten können, in die Schweiz zu fahren und dort die Dienste eines Sterbehilfevereins in Anspruch zu nehmen. Viele werden keinen Arzt finden, der ihnen stillschweigend behilflich ist. Sie werden niemanden haben und sich für die eine oder andere Art des Brutal-Suizids entscheiden.

10 000 Menschen, jedes Jahr. Wie hilft man ihnen? Etwa dadurch, dass man ihr Umfeld oder — wenn sie niemanden mehr haben — die Ärzte mit Strafe bedroht, die beratend und helfend zur Seite stehen? Ganz und gar nicht. Wenn den Medizinern bei Strafe verboten wird, ein Ansprechpartner zu sein, werden sie sich abwenden. Der Betreffende, der sein Umfeld nicht in die Gefahr einer Strafbarkeit bringen will, ist vollends allein gelassen. Wird in eine Sackgasse gedrängt, aus der er allein nicht mehr herausfindet. Oder er gerät in die Fänge von Geschäftemachern, deren Treiben für die Politik doch gerade der Anlass war, sich dem Thema Suizidbeihilfe zu widmen.

Nun aber droht das Vorhaben in eine Richtung zu gehen, die hinter das zurückfällt, was in den vergangenen Jahren in Sachen Sterbehilfe Konsens war. Durch das Gesetz zur Patientenverfügung wurde gerade entkriminalisiert. Es wurde erreicht, dass dem Willen des Betroffenen gegen eine Leidensverlängerung entsprochen wird, wenn er sich selbst nicht mehr äußern kann.

Jetzt aber steht wieder eine Verschärfung im Raum. Bisher straflose Suizidbeihilfe soll strafbar werden. Je nach dem, wer sich am Ende politisch durchsetzt, wird dann auch eine große Chance verspielt, dem Betroffenen den Weg zurück ins Leben zu ebnen. Wenn er nur jemanden hätte, mit dem er seinen Wunsch zu sterben besprechen könnte, würde sich so manches Mal ein Ausweg auftun.

Und wenn der Betroffene dennoch bei seinem Vorhaben bleibt und dabei letzte Hilfe in Anspruch nehmen will, so mag die katholische Kirche zwar strikt dagegen sein. Doch die Gesellschaft hat nicht das Recht, den Stab über jemanden zu brechen, der autonom über sein Leben und sein Sterben entscheiden will.

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