Der Sinneswandel des Finanzministers

Schäuble zwischen Investitionen und Steuereinnahmen

Mit einem Kommentar von Stefan Vetter.

Mit einem Kommentar von Stefan Vetter.

Der Ruf aus Wirtschaft und Opposition hat offenbar bei der Bundesregierung gefruchtet. Kassenwart Wolfgang Schäuble kündigt zusätzliche Investitionen im Umfang von zehn Milliarden Euro an, obwohl, oder besser, gerade weil die Konjunktur in Deutschland nicht mehr so rund läuft wie noch bis vor kurzer Zeit. Davon zeugt auch die aktuelle Steuerschätzung. Während viele europäische Staaten nach wie vor tief im Krisensumpf stecken, haben sich bei uns die Wachstumsaussichten zumindest eingetrübt. Das Bruttosozialprodukt wird künftig weniger zulegen als noch zu Jahresbeginn prognostiziert. Und auch beim Steueraufkommen verhält es sich spiegelbildlich so, dass Vater Staat zwar mit steigenden Einnahmen kalkulieren kann. Nur fällt der Zuwachs eben nicht mehr so üppig aus wie zuletzt im Mai von den Experten vorhergesagt.

So gesehen springt Schäuble jetzt politisch über seinen eigenen Schatten. Denn von zusätzlichen Investitionen wollte seine Partei, die Union, bis eben noch rein gar nichts wissen. Im Vordergrund stand vielmehr die „schwarze Null“, also ausgeglichene Haushalte ab dem kommenden Jahr, die man um jeden Preis erreichen will. Nun soll gewissermaßen die Quadratur des Kreises gelingen: Festhalten an schuldenfreien Etats und gleichzeitig mehr gegen marode Straßen, Schulen, Kitas oder Schienenwege ausgeben. Also die Wirtschaft ankurbeln. Das alles zusammen klingt fast zu schön um wahr zu sein. Gelänge der Coup, dann hätte sich diese große Koalition wahrlich ein lobendes Kapitel im Geschichtsbuch verdient.

Sollte sich die Konjunktur allerdings wider Erwarten noch weiter verdüstern, müsste die schwarz-rote Regierung Prioritäten setzen. Es wäre jedenfalls kaum sinnvoll, einer womöglich schlechteren ökonomischen Lage auch noch hinterher zu sparen. Der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse könnte der Bund im Ernstfall auch ohne die „schwarze Null“ gerecht werden. Soviel Spielraum wäre vorhanden. Bisher hat die Regierung keine Prioritäten setzen müssen, sondern allen wohl getan. Man denke nur an das milliardenschwere Rentenpaket. Die große Frage wird sein, ob sie es überhaupt kann.

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