Meinung Die Forderung der pragmatischen Generation

Die Shell-Studie will das Stimmungsbarometer der deutschen Jugendlichen sein. Sie gibt Auskunft darüber, wie die 12- bis 25-Jährigen im Land ticken, was sie fühlen, was sie wollen. Dabei arbeitet sie immer wieder Erstaunliches heraus.

Auf die Protestgeneration (70er Jahre) folgte Generation Null Bock (80er Jahre), nun wird der fröhliche Hedonismus der 90er angeblich von einer pragmatischen Generation abgelöst, die sich politisch engagiert, weltoffen ist und positiv in die Zukunft blickt.

Kommt auf den Standpunkt an, denn bei genauerem Hinschauen stellt man fest: Eine Differenzierung zwischen Arm und Reich sowie zwischen Ost und West ist leider immer noch notwendig. Und davon hängen offenbar auch Zuversicht und Weltoffenheit ab. 61 Prozent der jungen Menschen sind optimistisch, was ihre persönliche Zukunft betrifft — der höchste Wert seit langem. Sie kommen aus relativ bis sehr begüterten Haushalten, die Wert auf eine gute (Aus-)Bildung legen. Rund 25 Prozent dagegen glauben nicht daran, dass sie ihre beruflichen Wünsche verwirklichen können. Eine harte, aber bei der großen Zahl der Bildungsverlierer ohne Schulabschluss und/oder Berufsausbildung nicht unrealistische Einsicht. Heraus kam auch, dass in Deutschland eine weltoffenere Generation nachwächst — vor allem westlich der Elbe. So sank die Ablehnung der Zuwanderung nach Deutschland von 58 Prozent 2006 auf 37 Prozent heute. Aufgeschlüsselt nach West und Ost bedeutet das aber auch: 35 Prozent im Westen und knapp 50 Prozent im Osten sind gegen Zuwanderung. Jeder Dritte (gesamtdeutsch) hat gar Angst vor Zuwanderung. Fraglich ist, ob diese Zahlen nicht inzwischen obsolet geworden sind. Die Erhebung war im März abgeschlossen, als die Zahl der Flüchtlinge noch weit geringer war als heute.

Interessant wird die Studie vor allem dann, wenn man die einzelnen Werte in Relation zueinander setzt. Fast alle Befragten (95 Prozent) sagen, dass ihnen vor allem ein sicherer Arbeitsplatz wichtig ist. Fast genauso vielen ist eine gute Beziehung zur Familie wichtig. Selber eine Familie zu gründen, können sich aber immer weniger vorstellen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Prekär-Beschäftigten und der befristeten Arbeitsverträge. An diesem Punkt wird aus einer statistischen Erhebung der politische Auftrag, für angemessene Beschäftigung zu sorgen. Die Politik wird sich daran messen lassen müssen, ob sie ihn auch aufgreift.

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