TTIP Die Politik muss Grenzen setzen

BDI-Chef warnt vor Scheitern des Handelsabkommens TTIP

Es ist noch gar nicht lange her, da warben die TTIP-Befürworter hierzulande mit falschen Zahlen. Um mehr als 100 Milliarden Euro werde die Wirtschaft in der EU durch das Abkommen wachsen. Zehntausende neue Jobs seien garantiert — so hieß es. Inzwischen musste der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) einräumen, dass sich die Zahlen auf einen Zeitraum von zehn Jahren beziehen. Wenn überhaupt. Der BDI vermeidet es neuerdings ganz, den erhofften TTIP-Schub zu beziffern.

Dabei kann niemand ernsthaft bestreiten, dass wir vom regen Handel mit anderen enorm profitieren. Jeder zweite Arbeitsplatz in der deutschen Industrie hängt am Export. Hinter TTIP steht also eine gute Idee. Und es stimmt auch nicht, dass das geplante Abkommen mit den USA alle Standards in der EU zugunsten der Wirtschaft aufweicht. Bei Medizinprodukten beispielsweise sind die Vorschriften jenseits des Atlantiks strenger. Den Banken und Börsen schauen die Aufsichtsbehörden in den USA ebenfalls genauer auf die Finger als dies in Europa der Fall ist.

Trotzdem gibt es gute Gründe dafür, dass eine Mehrheit der Deutschen TTIP ablehnt. Und diese Skepsis speist sich nicht nur aus Chlorhühnchen und Hormonrindern, über die sich in den Staaten kaum jemand aufregt. Es geht um viel mehr als darum, die Standards bei Lebensmitteln abzusenken. Wenn TTIP kommt, ist das Abkommen ein Bestandteil des Völkerrechts. Das bedeutet: Gesetze in der EU oder Deutschland lassen sich künftig nur dann ändern, wenn sie TTIP-kompatibel sind. Dieser Weg ist überaus gefährlich, weil die Parlamente das Recht verlieren, den Schutz von Mensch und Umwelt mit demokratischen Mehrheiten zu regeln.

Verschärft wird diese falsche Weichenstellung durch private Schiedsgerichte, die bei TTIP vorgesehen sind. Sie eröffnen Unternehmen die Chance, Staaten auf Entschädigung zu verklagen, wenn ihnen politische Entscheidungen das Geschäft im Ausland verderben. Zum Nachteil der Steuerzahler. Es kann aber nicht sein, dass die Aussicht auf Gewinn jener Wert ist, dem alles andere bedingungslos zu folgen hat. Freier Handel ja — aber die Politik muss den Akteuren Grenzen setzen.

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