Fall Edathy — mehr als nur eine Strafsache

Kommentar Zweifelhafte Bilder und politische Turbulenzen

Eigentlich, so meint selbst das Landgericht Verden, ist die Sache strafrechtlich nicht spektakulär. Eine allzu harte Strafe habe der Angeklagte Edathy nicht zu erwarten, weil es um vergleichsweise wenige Taten mit wenigen Zugriffen auf kinder- und jugendpornografische Darstellungen gehe. Eigentlich könnte die Sache daher von einem ganz normalen Amtsgericht überprüft werden. Zuständig ist nun aber doch direkt eine höhere Instanz: die große Strafkammer des Landgerichts. Und zwar wegen der Bedeutung des Falles.

In der Tat sieht auch das Gesetz dieses Kriterium als Rechtfertigung, die Sache „höher zu hängen“. Wobei sich darüber streiten lässt, ob dies angemessen ist. Im Strafverfahren geht es um die individuelle Schuld eines Angeklagten. Nicht um das Abhalten eines Tribunals und nicht um eine politische Aufarbeitung.

Die muss freilich an anderer Stelle stattfinden. Und das passiert ja auch bereits. Da ist die gerade erst aus Anlass des Falles Edathy beschlossene Verschärfung des Sexualstrafrechts. Und da ist der Untersuchungsausschuss, der die politischen Nachbeben der Affäre beleuchten soll. Da wurden Ungeheuerlichkeiten bekannt, wie nonchalant Politiker sich gegenseitig über Ermittlungsergebnisse informierten. Da war der Rücktritt des CSU-Ministers Friedrich, das Wanken der gerade erst ins Amt gekommenen großen Koalition. Die Staatsanwaltschaft gab ein schlechtes Bild ab, als sie den Verdächtigen regelrecht vorführte und frühzeitig Ermittlungsdetails herausposaunte.

Im nun anstehenden Prozess kann das verschärfte Sexualstrafrecht für Edathy noch kein Maßstab sein. Bestraft werden kann nur, was zum Zeitpunkt der Tat strafbar war. Edathy hat sein Verhalten heruntergespielt, als er in einem Interview sagte: „In der Kunstgeschichte hat der männliche Akt, auch der Kinder- und Jugendakt, eine lange Tradition. Man muss daran keinen Gefallen finden, man darf es aber.“

Das Material, das bei ihm gefunden wurde, spricht wohl eine andere Sprache. Sonst wäre die Anklage nicht zugelassen worden. Ob die Bilder mehr als nur zweifelhafte Kunst darstellen, der Besitz daher schon nach bisherigem Recht strafbar war, muss der Prozess klären.

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