Gauck-Rede in Danzig: Mosaikstein einer großen Strategie

Der Bundespräsident hat in Danzig deutliche Worte gewählt

Ein Kommentar von Hagen Strauß.

Ein Kommentar von Hagen Strauß.

Foto: k r o h n f o t o .de

Es wäre reichlich naiv anzunehmen, Bundespräsident Joachim Gauck würde außenpolitische Alleingänge riskieren. Das hat er einmal gemacht, oder besser gesagt: versucht. Als er nämlich bei seiner Israel-Reise vor zwei Jahren das Versprechen der Kanzlerin infragestellte, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson. Angela Merkel war damals vergrätzt über die von Gauck ausgelöste Debatte — und sie hat es ihn spüren lassen. Seitdem wagt sich der Präsident meist nur eng mit der Regierungschefin abgestimmt aus der Deckung.

Hier weiß die linke Hand, was die rechte tut. Gauck ist kein Neben-Außenpolitiker. Umso klarer wird deshalb, dass hinter seiner Rede zum Ukraine-Konflikt und der Rolle Russlands nicht nur berechtigte Empörung über das Vorgehen des russischen Präsidenten Putin steckt. Sondern sie wirkt auch wie ein weiterer Baustein im Unterfangen der politischen Elite, die Bürger auf eine veränderte Außen- und Sicherheitspolitik einzustellen. Angela Merkel hat zuletzt deutlich gemacht, dass es immer wieder Situationen geben wird, wo nur noch militärische Mittel helfen.

Die „Kultur der Zurückhaltung“ ist Geschichte. Das kann man kritisieren, aber es entspricht der wachsenden internationalen Bedeutung dieses Landes auch ökonomisch. Wobei Joachim Gauck nicht erst seit seiner Rede auf der Westerplatte entsprechende Ausrufezeichen gesetzt hat.

Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres plädierte er für ein entschiedeneres Engagement Deutschlands in der EU, in der Nato, in der Welt. Ganz im Sinne der frisch ins Amt gekommenen Regierung. Damals konnte das Staatsoberhaupt die neuen Konflikte in der Ukraine oder mit dem islamistischen Terror nicht erahnen. Aber genau an diesen Herausforderungen richtet sich die deutsche Außenpolitik nun neu aus. Kein Zufall.

Doch agiert der Präsident nicht, ohne die Grenzen seines Amtes verbal zu dehnen. Deswegen muss er sich Kritik gefallen lassen an Teilen seiner Rede. Mit Recht. Denn die Aufgabe des Präsidenten kann es nicht sein, bei der Bewertung internationaler Konflikte martialischer zu tönen als irgendein x-beliebiger Politiker. Mut ist für einen Präsidenten wichtig, Übermut aber nicht.

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