Jüdische Einrichtungen: Notfalls rund um die Uhr bewachen

Mit guten Worten und Bedauern ist es nicht getan

Ein Kommentar von Olaf Steinacker.

Ein Kommentar von Olaf Steinacker.

Foto: Young David (DY)

Es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass es knapp 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Judenvernichtung durch die Deutschen wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt. Die Gründe dafür mögen sehr unterschiedlich sein, sie haben aber gewiss etwas mit den Versprechen zu tun, mit denen die Gründer der Bundesrepublik (übrigens auch der DDR) 1949 angetreten sind: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Antisemitismus!

Das mit dem Krieg hat sich spätestens seit den 90er Jahren und den deutschen Out-of-Area-Einsätzen erledigt. Mit stramm rechten Kameraden in Stadträten, Kreisparlamenten und Landtagen haben sich viele seit Jahrzehnten arrangiert. Immerhin hatte das Nein zu Antisemitismus in Deutschland bis vor kurzem zumindest noch einen Minimalkonsens in weiten Teilen der Gesellschaft gefunden.

Nach dem jüngsten Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal und Vorfällen in vielen anderen Städten muss man daran allerdings zweifeln. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher politischen Ecke die mutmaßlichen Täter stammen — klare Kante gibt es durch die jüngste Eskalation in Gaza längst nicht mehr. Israelkritiker, Pro-Palästina-Aktivisten, Islamisten und Neonazis agieren gemeinsam. Im Zweifel auch mit Brandsätzen.

Dass es in Wuppertal überhaupt soweit kommen konnte, lässt Polizei und Innenministerium nicht gut aussehen. Von „entschlossenem Vorgehen gegen antisemitische Hetze und Gewalttaten“ (Ralf Jäger) war in den vergangenen Tagen mehr zu hören als zu sehen. Und der Wuppertaler Polizei dürfte mittlerweile auch dämmern, dass die „qualitativ hohen Schutzmaßnahmen“ für die Bergische Synagoge nicht ausgereicht haben.

In Düsseldorf werden die Synagoge und andere jüdische Einrichtungen rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Hundertprozentige Sicherheit gibt es dadurch zwar nicht, aber die Präsenz demonstriert eine gewisse Haltung. Nämlich: Wir halten es nicht für selbstverständlich, dass es heute wieder jüdisches Leben in unserer Stadt gibt, deshalb passen wir auf euch auf. Angesichts von Brandsätzen auf Synagogen sind Einsatzfahrzeuge vor Gotteshäusern definitiv das kleinere Übel.

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