Justiz muss sich Kontrolle gefallen lassen

Videoübertragung in einen Nebenraum des Gerichtssaals

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Foto: Young David (DY)

Kameras im Gerichtssaal sind tabu. Nur in Ansätzen wurde dieser eherne Grundsatz bislang durchbrochen. So lassen sich Verfassungsrichter bei der Urteilsverkündung filmen, in spektakulären Prozessen dürfen Kamerateams Bilder machen — vor Verhandlungsbeginn. Aber den Prozess im Fernsehen zu übertragen, so wie in den USA oder Südafrika (Fall Pistorius), wäre hierzulande undenkbar.

Das verbietet nicht nur das Gesetz, auch gute Gründe sprechen dagegen: Allen voran die Prangerwirkung, die dies für den Angeklagten hätte. Auch würde sich das Aussageverhalten von Zeugen verändern, wenn diese sich bewusst sind, dass ein Millionenpublikum live dabei ist. Hätten TV-Sender freie Hand, bestimmte Szenen des Prozesses oder das Verhalten von Richtern, Verteidigern oder Staatsanwälten nach ihren eigenen Dramaturgieregeln aufzubereiten, so wäre das verhängnisvoll. Schnell würde eine ganz eigene Wahrheit herauskommen, einer Manipulation der Öffentlichkeit würde Vorschub geleistet.

All dies spricht zwar gegen TV-Kameras im Gerichtssaal. Nicht indes dagegen, den Prozess nur in einen Nachbarraum des Gerichtssaales zu übertragen. Der Vorstoß des NRW-Justizministers, dies zu erlauben, ist daher richtig.

Es gibt Prozesse, da reichen Gerichtssäle nicht aus, das große Interesse von Medien und Öffentlichkeit zu befriedigen. Der NSU-Prozess oder das Hoeneß-Verfahren sind Beispiele dafür. Bei der Videoübertragung in einen Nebenraum bestehen die hinsichtlich der TV-Übertragung zitierten Gefahren gar nicht. Es wird einfach nur mehr Menschen die Gelegenheit gegeben, den Prozess zu verfolgen.

Natürlich müsste es sich um eine statische Kamera handeln, die nicht etwa einzelne Prozessbeteiligte „heranzoomt“. Es würde nur das Bild vermittelt, das sich den direkt im Gerichtssaal Anwesenden bietet. Auch müsste sichergestellt werden, dass im Nebenraum dieselben Regeln gelten: Kamera- und Tonaufnahmeverbot, damit die Bilder nicht doch wieder im Fernsehen oder Internet landen. Eine solche erweiterte Saalöffentlichkeit zu schaffen, stärkt das wichtige Öffentlichkeitsprinzip der Prozessordnung — die Justiz muss es sich gefallen lassen, dass ihr auf die Finger geschaut wird.

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