Mordparagraph Lebenslänglich ist schon jetzt vergänglich

Das Gesetzeswerk und seine geplante Reform

Mord, das ist Alltag in deutschen Wohnzimmern — dank der vielen TV-Krimis. Ein populäres Thema also, das sich Justizminister Maas da vorgenommen hat. Eine von ihm eingesetzte Expertenkommission empfiehlt nun, dass es auch für Mord nicht mehr automatisch eine lebenslange Freiheitsstrafe geben soll.

Wird der Vorschlag Gesetz, so ist das weniger revolutionär als es klingt. Zwar sagt Paragraph 211 des Strafgesetzbuches, dass „der Mörder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“ wird. Doch in der Praxis gilt das längst nicht mehr.

Schon 1977 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es der Menschenwürde widerspreche, wenn der Verurteilte keine Chance hat, jemals seine Freiheit wiederzuerlangen. Seither wird nach 15-jähriger Haft überprüft, ob die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Auch lebenslänglich ist also vergänglich.

In der Praxis werden Mörder nach durchschnittlich 19 bis 20 Jahren entlassen. Vor besonders gefährlichen Tätern wird die Öffentlichkeit durch das Instrument der Sicherungsverwahrung geschützt.

Es gibt sogar Fälle, in denen der Bundesgerichtshof schon im Urteil trotz Mordes nur eine zeitlich begrenzte Strafe verhängt hat. Insbesondere in den „Haustyrannenfällen“. Darunter versteht man Konstellationen, in denen eine über Monate oder gar Jahre gequälte Frau ihren Peiniger, dem sie körperlich nichts entgegenzusetzen hat, im Schlaf oder mit einem Gifttrunk umbringt. Ein klarer Fall von Heimtücke. Und Heimtücke wiederum ist ein klarer Fall von Mord. Trotzdem kamen die Richter zu einer nur zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe. Denn, so der Gedankengang, es könne ja nicht sein, dass der Haustyrann, der seine Frau im offenen Streit umbringt, mit Totschlag und einer zeitigen Freiheitsstrafe davonkommt. Die Frau aber, der in einer solchen Konstellation nichts anderes bleibt als der Überraschungseffekt (Heimtücke), wird härter bestraft.

Solchen Fällen müssen Gerichte gerecht werden. Wenn der Gesetzgeber ihnen bald auch ausdrücklich diesen Spielraum einräumt, ist das freilich keine Lizenz zum Töten. Wohl aber ein Weg zu einer angemesseneren Einzelfallbeurteilung.

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