Macht und Ohnmacht der Angela Merkel

Kommentar Kanzlerin zur „mächtigsten Frau der Welt“ ernannt

Angela Merkel hat vom „Forbes“-Magazin gerade zum neunten Mal den Titel „mächtigste Frau der Welt“ bekommen. Da spielt wohl auch die Größe des von der Kanzlerin regierten Landes eine Rolle. Nach allen Definitionen von Macht aber ist Merkel nicht besonders mächtig. Weder bringt sie andere dazu, Dinge zu tun, die die nicht wollten, noch setzt sie ihre Anliegen anderweitig durch. Das liegt natürlich zum einen daran, dass eine Kanzlerin in Deutschland im Geflecht von Föderalismus, Koalitionen, innerparteilichen Rücksichtnahmen und Medien wenig Spielraum hat. Und das ist gut so. Das liegt aber auch an Angela Merkel selbst. Bei ihr könnte man sogar sagen: Gemessen an den begrenzten Möglichkeiten, die sie dann doch hat, ist sie eher eine der ohnmächtigsten Frauen der Welt.

Beispiele: Deutschland bekommt die Maut, obwohl Merkel versprochen hatte, sie zu verhindern. Die Launen der CSU und ihres Chefs scheinen mindestens genauso mächtig zu sein wie die Kanzlerin. Deren Macht reicht nicht, um Deutschlands Wirtschaft (oder auch nur das eigene Handy) per No-Spy-Abkommen vor Ausspähung durch die USA zu schützen. Sie reicht nicht, um die Homoehe durchzusetzen oder ein Zuwanderungsgesetz mit einem Punktesystem zu verabschieden. Die Kanzlerin akzeptiert trotz ihrer Richtlinienkompetenz auch, dass die Durchlässigkeit des Bildungssystems für Kinder armer Leute hierzulande so schlecht ist wie sonst kaum irgendwo, und dass sich die Arm-Reich-Schere immer weiter öffnet.

Das ist die Liste des mangelnden Muts und des Nichtstuns der angeblich mächtigsten Frau der Welt. Wohlgemerkt, wir reden hier nur über Dinge, die Merkel selbst inhaltlich vertritt, aber trotz ihrer Autorität nicht durchsetzt. Aber was ist schon Macht? Angela Merkels Einfluss liegt zwischen Kanzleramt, Fraktion und Parteizentrale. Hier herrscht sie wirklich, hier sichert sie ihre Position ab - mit großem Geschick und manch kleiner Gunst. Eigentlich sollte Machtabsicherung nur Mittel zum Zweck der politischen Gestaltung sein. Doch bei Merkel ist sie längst auch Selbstzweck geworden. Nicht immer. Aber seit einiger Zeit doch immer öfter.

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