Erdogan Machterhalt in Krisenzeiten

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat eine eigene Sicht auf die Dinge — und er benutzt ein eigenes Vokabular, um seinen Landsleuten diese zu vermitteln. Die Neuwahl des Parlaments, angesetzt für den 1. November, nennt der Mann mit dem merkwürdigen Demokratieverständnis „wiederholte Wahlen“.

Wobei er aber im Sinn haben dürfte, dass sich eben das nicht wiederholt, was seiner konservativ-islamischen Partei am 7. Juni widerfahren ist. Vor drei Monaten verlor die AKP die absolute Mehrheit und wäre zum Regieren auf einen Juniorpartner angewiesen gewesen.

Planmäßig scheiterte Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu mit der Regierungsbildung — Erdogan hatte früh durchblicken lassen, dass er für die Türkei keine Koalition AKP+X wünscht. Neutralität ist keine Kategorie, die für sein Handeln eine große Rolle spielen würde. Was für den nun beginnenden Wahlkampf Schlimmes befürchten lässt. Bereits vor der Juni-Wahl gab es Ausschreitungen, wahllose Festnahmen und auch Anschläge — vor allem auf Veranstaltungen der pro-kurdischen Partei HDP, bei denen zwei Menschen ums Leben kamen.

Besonders gegen die HDP richtet sich Erdogans Wut. Die bei Linken, Kurden und Frauen beliebte Partei schaffte im Juni die Zehn-Prozent-Hürde — und könnte sie im Herbst erneut überspringen. Die absolute Mehrheit für die AKP, erklärtes Wahlziel, wäre damit in weiter Ferne. Schon jetzt werden HDP-Abgeordnete als Parteigänger der PKK diffamiert, gegen die Ankara mittlerweile offen Krieg führt — den Friedensprozess haben beide Seiten für gescheitert erklärt. Es heißt, die Eskalation komme Erdogan und seiner AKP gelegen. Unsichere Zeiten sind gute Zeiten für Machtpo- litiker wie Erdogan.

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