OP-Höchststand: Der Patient hat es (auch) in der Hand

15,8 Millionen Operationen — ein zweifelhafter Rekord

Ein Flugzeug rechnet sich für die Airline nur, wenn es in der Luft ist. Standzeiten am Boden sind verlorenes Geld. Auch ein Operationssaal mit seinen wertvollen Gerätschaften und dem qualifizierten und daher teuren ärztlichen Personal muss ausgelastet sein, wenn er wirtschaftlich sein soll. Viele Operationen — hohe Einnahmen. Kann es da überraschen, dass die Zahl der Eingriffe mit 15,8 Millionen auf Rekordstand liegt?

Wir sind keine raffgierigen Beutelschneider, betonen die Krankenhausbetreiber regelmäßig, wenn immer weiter steigende Operationszahlen bekannt werden. Diese Entwicklung, so wird gesagt, hänge mit der Alterung der Gesellschaft zusammen. Die Menschen werden immer älter und „morbider“. Da müsse einen die wachsende Zahl der Operationen nicht verwundern.

Gewiss spielt das eine Rolle, doch der Fehler liegt auch im System und seinen finanziellen Anreizen. Früher richtete sich die Honorierung des Krankenhauses nach der Verweildauer des Patienten. Nun wird nach Fallpauschalen abgerechnet. Eine Operation rechnet sich da deutlich mehr. Erst recht im Vergleich zu konservativen Behandlungen — ohne Skalpell, aber mit mühseliger Beteiligung des Patienten, etwa bei Rückenleiden.

Die Krankenhäuser stehen unter wirtschaftlichem Druck. Rät der Chirurg zur Operation, die seiner Klinik Tausende Euro einbringt, so ist das für seinen Arbeitgeber und für ihn selbst lukrativer, als wenn er den Patienten auf eine Physiotherapie hinweist. Gewiss, die kann nicht in jedem Fall helfen. Doch der Patient sollte die Interessenkollision berücksichtigen, in der sich sein Behandler befindet. Für den Kranken steht viel mehr auf dem Spiel als nur Geld. Vor der Entscheidung, ob er sich unters Messer begibt, sollte er lieber eine zweite ärztliche Meinung einholen und fragen: Was ist die Alternative zur OP? Und wenn es doch das Skalpell sein muss, was sich oft nicht vermeiden lässt, sollte man die Qualitätsberichte für die Kliniken studieren oder die Unabhängige Patientenberatung kontaktieren. Wertvolle Entscheidungshilfen für Patienten, denen eine OP nicht nur Heil bringen kann, sondern die durchaus viel dabei zu verlieren haben.

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