Reform des Wahlrechts: Der Eigennutz der Parteien

Das neue Wahlrecht kommt den Bürger teuer zu stehen.

Es ist ein seltenes Bild, dafür umso bemerkenswerter: Volker Kauder, Frank-Walter Steinmeier, Renate Künast und Rainer Brüderle — sie alle klopfen sich nun auf die Schulter. Denn sie haben geradezu Historisches zustande gebracht: Sie haben sich nach fünf Jahren auf die Grundzüge eines Wahlrechts geeinigt, das endlich den Vorgaben des Verfassungsgerichts genügt — wahrscheinlich jedenfalls.

Doch Ironie beiseite, es ist die blanke Selbstverständlichkeit, dass Deutschland endlich ein Wahlrecht bekommt, das den Grundvoraussetzungen entspricht. Und die lauten nun einmal, dass sich die Stimmabgabe der Bürger möglichst treffgenau in der Sitzverteilung des Parlaments widerspiegeln muss. Dass dies über viele Jahre nicht der Fall war, das hat Karlsruhe bereits im Jahre 2008 entschieden. Denn nach den alten und komplizierten Regeln konnte eine Partei sogar mit einem Mandatsabzug für ihren Erfolg bestraft werden. In der Regel gab es jedoch manchmal weniger, sehr oft aber mehr Überhangmandate, die die stärkere Volkspartei noch einmal stärker machte. Das hat zu Verdruss und zur Verschiebung des Wählerwillens gesorgt.

Die Parteien haben sich nun auf das einfachste Modell geeinigt. Es sieht vor, an den Überhangmandaten festzuhalten und ihre Zahl durch die sogenannten Ausgleichsmandate zu kompensieren. Das ist ebenso banal wie anspruchslos, man kann auch sagen: feige.

Die neue Lösung wird die Steuerzahler viel Geld kosten. Natürlich ist der Einwand berechtigt, dass unsere stabile und unter dem Strich sehr erfolgreiche Demokratie auch etwas kosten muss und darf. Doch darf man von den gewählten Volksvertretern mehr Ideen und pfiffigere Lösungen erwarten, als die bloße Aufstockung des Parlaments um bis zu 50 Sitze.

Das ist politisch sehr billig, für den Bürger aber sehr teuer. Hinter dem Vorschlag stehen handfeste politische Interessen. Die Überhangmandate entstehen vor allem, weil nach gültigem und weiter geltendem Recht die Ergebnisse in den Bundesländern besonders berücksichtigt werden. Daher stellen die Parteien dort Landeslisten auf. Gäbe es bundesweite Wahllisten, gäbe es das Problem nicht. Die regionalen Eitelkeiten der Parteien werden viel zu teuer bezahlt.

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