Schule braucht Verlässlichkeit

Die Diskussionen um das Turbo-Abitur reißen nicht ab

Jeder kennt die Geschichten von Kindern, die acht Stunden und mehr täglich für die Schule und die Hausaufgaben aufwenden müssen. Das ist anstrengend, da bleibt oftmals nur sehr wenig Zeit für Spaß und Spiel. Seit der Einführung des sogenannten Turbo-Abis vor sieben Jahren hat sich an den NRW-Gymnasien der Unterrichtsalltag stark gewandelt.

Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hatte die bereits beschlossene Einführung an einem entscheidenden Punkt geändert: Das Lernen wurde vor allem in den Klassen fünf bis zehn bisweilen extrem verdichtet. Experten hatten geraten, gegenüber dem alten Modell mit neun Jahren am Gymnasium schlicht die von vielen ohnehin als eher überflüssig empfundene Klasse 11 abzuschaffen.

Doch das geschah nicht, die Folgen sind bekannt. Seit Jahren protestieren die Eltern, denen die eigenen Kinder leidtun, denen sie aber gleichzeitig die möglichst besten Bildungschancen einräumen möchten. Seit 2010 versuchen SPD und Grüne in NRW nun, die Folgen der Umstellung abzumildern. Sie gehen dabei behutsam vor. Denn gleich zu Beginn der Regierungszeit gab es die entscheidende Nagelprobe: Nur ganz wenige Gymnasien landesweit waren bereit, zum alten System zurückzukehren.

Das hat einen einfachen Grund: Das System Schule sehnt sich nach Verlässlichkeit. Jahrzehntelang war die Schulpolitik das Hauptstreitfeld der Politik, teilweise standen sich die Kontrahenten unversöhnlich gegenüber — etwa beim Thema Gesamtschule.

Das ist mit dem gefundenen Schulfrieden zwischen SPD, CDU und Grünen vorbei. Damit hat die Landespolitik den Schulen ein Versprechen gegeben, sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens in Ruhe entwickeln zu können. Ein Zurück zum alten Abitur wäre da ein klarer Wortbruch.

Bayern geht einen anderen Weg. Ausgerechnet der regelmäßige deutsche Pisa-Meister will die Reform reformieren. Dafür gibt es vor allen Dingen eine politische Erklärung: Im kommenden Jahr steht im Freistaat eine Landtagswahl an, CSU und FDP haben Angst vor Protestwählern unter den Eltern. Denn anders als hier haben Mütter und Väter, die ihren Kindern das Turbo-Abi nicht zumuten wollen, wenig Alternativen: Es gibt dort kaum Gesamtschulen.

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