Stellvertreterkrieg an Rhein und Wupper

Gewalt in Syrien und Irak wird in Deutschland zum Problem

Ein Kommentar von Olaf Steinacker.

Ein Kommentar von Olaf Steinacker.

Foto: Judith Michaelis

Die Warnung des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan lässt wenig Raum für Interpretationen: Sollte die kurdische Stadt Kobane von der Terrormiliz IS erobert werden und das türkische Militär dabei tatenlos zusehen, ist es vorbei mit dem Friedensprozess. Seit zwei Jahren nähern Ankara und die kurdische Arbeiterpartei, die in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation gilt, sich an — in der vagen Hoffnung, den drei Jahrzehnte andauernden Konflikt endlich zu beenden.

Damit scheint es nach den jüngsten Kurden-Demonstrationen mit Toten, Verletzten und brennenden Barrikaden wohl vorbei zu sein. Eine Entwicklung, die der türkische Staatspräsident Erdogan mindestens einkalkuliert, wenn nicht sogar befördert hat. Politisches Interesse, gegen den IS zu kämpfen, hat Ankara nicht — weder für die US-geführte Allianz und schon gar nicht aufseiten der syrischen Kurden. Den Freibrief des türkischen Parlaments für den sogenannten Anti-Terrorkampf interpretiert Erdogan nach eigenem Gusto: Hauptgegner für den islamisch-konservativen Politiker sind zuerst das Assad-Regime in Syrien und die PKK vor der eigenen Haustür.

Solange sich die kurdischen Volksbefreiungseinheiten (YPG), die Kobane gegen die Islamisten verteidigen, nicht öffentlich von der befreundeten und politisch eng verwandten PKK distanzieren, schaut Erdogan eben zu. Sekundiert von den Europäern, die es sich mit dem starken Mann aus Ankara nicht verscherzen wollen. Waffen gibt es folglich nur für die Peschmerga, die Kämpfer der prowestlich orientierten Region im Nordirak. Gute Kurden, schlechte Kurden — es ist ein Trauerspiel.

Eines mit möglichen Folgen auch für Nordrhein-Westfalen. Nämlich dann, wenn die bisher weitgehend friedlich verlaufenen Kurden-Demos in Gewalt umschlagen oder — wie in Celle und Hamburg — Kurden oder Jesiden und radikale Moslems aufeinander losgehen. Potenzial für einen Stellvertreterkrieg zwischen Rhein und Wupper gibt es, wenn man den Zahlen des Innenministeriums glaubt. 1800 gewaltbereite Salafisten sollen sich in NRW tummeln. Am Samstag wollen Tausende Kurden in Düsseldorf für Solidarität mit Kobane auf die Straße gehen. Hoffentlich bleibt es friedlich.

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