Kommentar Wahl in Großbritannien: Auf der Insel geht es um Europa

Am Donnerstag wählt Großbritannien: Cameron kontra Miliband

Schlecht ist sie nicht, die Bilanz des britischen Premiers David Cameron: Die Wirtschaft wächst, die Zahl der Arbeitslosen fällt, das Land macht weniger neue Schulden. Eigentlich eine gute Basis, um am Donnerstag die Parlamentswahl zu gewinnen, so scheint es. Aber jenseits der ökonomischen Daten sieht Cameron alt aus. Seit er regiert, hat das soziale Gefälle auf der Insel spürbar zugenommen. Viele Briten sind der Überzeugung, dass das Gesundheitssystem nur noch für Reiche funktioniert. Zudem gilt Cameron als Taktiker, der sich Großbritannien auch außerhalb der EU vorstellen kann, wenn’s dem Machterhalt dient. Indem er den Wählern ein Referendum über den Verbleib des Landes in der EU in Aussicht stellt, hofft der Premier, den Rechtspopulisten das Wasser abgraben zu können.

Ed Miliband steht für das Gegenteil. Der Labour-Chef will nicht weniger, sondern mehr Europa. Eine Abstimmung über die britische Mitgliedschaft in der EU lehnt Miliband ab. Jubelstürme löst er damit bei den traditionell europa-skeptischen Briten nicht aus. Aber die Angst vor den Folgen eines möglichen EU-Austritts war und ist groß.

Die Herzen der Wähler erreicht Miliband mit anderen Plänen: Gutverdiener sollen höhere Steuern zahlen, um die Sozialfürsorge stärken zu können. Private Anbieter im staatlichen Gesundheitswesen will er wieder zurückdrängen. Und ein Haushalt ohne neue Schulden ist für ihn kein vorrangiges Ziel.

Vermutlich werden die Konservativen und Labour nach der Wahl in etwa gleich viele Sitze im Parlament haben. Weder für Cameron noch für Miliband dürfte es zur Mehrheit reichen. Sie brauchen einen Partner. Damit rücken die Schottischen Nationalisten (SNP) ins Blickfeld. Sie könnten sich als drittstärkste Kraft erweisen. SNP-Chefin Nicola Sturgeon will Miliband zu einer linken Mehrheit verhelfen, aber der Labour-Chef scheut diese Koalition. Denn die Abspaltung vom Königreich bleibt das wichtigste Ziel der SNP. Miliband weiß, wie gefährlich diese Partnerschaft für Großbritannien wäre. Es läuft deshalb darauf hinaus, dass Miliband Chef einer Minderheitsregierung wird, die sich von der SNP tolerieren lässt — aus deutscher und europäischer Sicht nicht die schlechteste Variante.

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