Was man von Milchmädchen lernen kann

Die NRW-Regierungspolitik und das kleine Einmaleins

Was man von Milchmädchen lernen kann
Foto: Sarah Hardenberg

In Norbert Walter-Borjans’ Wahlheimat Köln (eigentlich ist der NRW-Finanzminister ein gebürtiger Uerdinger) steht im Stadtteil Poll das „Milchmädchen-Denkmal“. Es erinnert an die Armut vieler Poller, die vor mehr als 200 Jahren ihre Töchter mit Booten über den Rhein fuhren, um sie im linksrheinischen Köln Milch verkaufen zu lassen.

Fasst man die Kritik der Opposition im Landtag an Walter-Borjans’ Nachtragshaushalt für dieses Jahr und seinem Haushaltsentwurf für 2015 zusammen, dann lautet der Vorwurf sinngemäß, dass Walter-Borjans so verkehrt rechnet, wie man es von einer „Milchmädchen-Rechnung“ erwarten würde. Das ist erstens sehr ungerecht gegenüber den Milchmädchen. Die hätten wohl schon vor 200 Jahren begriffen, dass es böse endet, wenn man dauerhaft nicht über Steuereinnahmen von 50 Milliarden Euro im Jahr kommt, aber ebenso dauerhaft jedes Jahr mehr als 60 Milliarden ausgibt.

Dazu muss man eigentlich nicht mehr beherrschen als das kleine Einmaleins. Dessen Kenntnis darf man bei Norbert Walter-Borjans voraussetzen. Die Kenntnis des kleinen Einmaleins’ hinderte Walter-Borjans schon 2010 nicht daran, mit einem Nachtragshaushalt ins Rennen zu gehen, den der NRW-Verfassungsgerichtshof kippte.

Zweitens richten sich Vorwürfe der Opposition zwar gegen die Finanzplanung. Aber dahinter steckt natürlich die Absicht, Hannelore Kraft den Geldhahn zur Verwirklichung ihres Regierungsprogramms zuzudrehen. In diesem Programm ist Geld kein Selbstzweck, sondern das Mittel zur Umgestaltung des Landes. Und dabei rechnet die Ministerpräsidentin in einem größeren Maßstab: Rot-Grün setzt darauf, dass es auf lange Sicht volkswirtschaftlich klüger und kassenwirksamer ist, kein Kind zurückzulassen, als kurzfristig einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Und nicht auf Investitionen zu verzichten, wie Walter-Borjans es am Mittwoch erklärte: Wer seinen Kindern keine Schulden, aber marode Straßen hinterlasse, versündige sich nicht minder an künftigen Generationen. Das stimmt. Das kleine Einmaleins bleibt trotzdem gültig: NRW gibt zu viel Geld aus, das das Land nicht hat. Und das wäre den Milchmädchen wohl eher nicht passiert.

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