Weniger Staat — dafür aber effektiver

FDP-Justizministerin zur Verfassungsschutz-Krise

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass das Zusammenspiel der deutschen Verfassungsschutzbehörden neu justiert werden muss — das Land Thüringen hat ihn am vergangenen Dienstag erbracht. Da tagte in Berlin der Parlamentarische Kontrollausschuss des Bundestages, und im Mittelpunkt des Interesses stand die Frage, was die Verfassungsschützer über die „Zwickauer Terrorzelle“ wussten. Thüringens Verfassungsschutz glänzte durch Abwesenheit und begründete das damit, das Land sei nicht verpflichtet, an dieser Bundes-Sitzung teilzunehmen.

Der Vorstoß von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit dem Ziel, aus 16 Landesämtern drei oder vier zu machen, trifft einen Kern des Problems. Jedes Bundesland setzt, mit Eifer bis hin zu Übereifer, seine „Schlapphüte“ ein. Die haben, das sei zugegeben, ihre lokale und regionale Kompetenz. Aber irgendwo müssen die Erkenntnisse koordiniert und ausgetauscht werden. Terrorismus kennt keine Landesgrenzen.

Die Reaktionen aus den Ländern lassen erahnen, wie viel Widerstand zu erwarten ist. Jeder möchte seine eigenen Spione rekrutieren, bezahlen und abschöpfen. Als Totschlagargument werden gern „monatelange Strukturdebatten“ ins Feld geführt, wie sie NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) befürchtet. Jäger lehnt auch eine Verbunddatei der Sicherheitsbehörden ab. Das klingt nach „Weiter so wie bisher“, was die Neonazi-Szene ebenso wie potenzielle Terroristen auf der linken und auf der fundamental-islamischen Seite freuen dürfte.

Der Vorstoß von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist noch aus einem anderen Grunde bemerkenswert. Seit Monaten dümpelt die FDP in den Niederungen der politischen Schnellschüsse herum, verspottet als Klientelpartei, verortet unterhalb der Fünf-Prozent-Marke. Den einstigen liberalen Markenkern — Schutz der verfassungsmäßig garantierten Bürger- und Freiheitsrechte — hielten zuletzt vor allem die alten Kämpen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch hoch — unbequem und unbestechlich. Frau Leutheusser-Schnarrenbergers Idee von „Weniger Staat, dafür aber effektiver“ in der aktuellen Krise kann zu einem starken Lebenszeichen der Freien Demokraten werden — wenn sie denn konsequent verfolgt wird.

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