ACTA treibt Netz-Nutzer auf die Straße

Berlin (dpa) - In zahlreichen deutschen und europäischen Städten wollen Internetnutzer heute gegen das umstrittene ACTA-Abkommen zum internationalen Urheberrecht demonstrieren.

Die Veranstalter, zu denen in Deutschland auch die Piratenpartei gehört, erwarten allein hierzulande mehrere zehntausend Teilnehmer in 60 Städten. Weltweit rechnete der internationale Koordinator der Kampagne „Stopp ACTA“, Sebastian Radtke, mit 150 000 bis 200 000 Protest-Teilnehmern.

Der auf Initiative der USA und Japans ausgehandelte ACTA-Vertrag regelt unter anderem die „Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld“. Kritiker sehen darin hingegen eine Einschränkung von Freiheitsrechten im Internet.

Deutschland will das umstrittene Abkommen vorerst nicht unterzeichnen. Die zuständige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) habe Bedenken angemeldet, sagte am Freitag ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Eine Entscheidung in der Sache sei damit aber nicht verbunden. Die Gegner des umstrittenen Vertrags, unter ihnen die Grünen, die Linke und die Piratenpartei, begrüßten die Entscheidung als einen ersten Erfolg.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte diese Entscheidung hingegen: „Mit ihrer Rolle rückwärts beim Anti-Piraterie-Abkommen ACTA schadet die Bundesregierung dem Innovationsstandort Deutschland und sendet ein fatales Signal nach Brüssel“, sagte Hauptgeschäftsführer Markus Kerber am Samstag in Berlin. ACTA leiste einen wichtigen Beitrag zum Schutz deutscher Innovationen im internationalen Handel.

„Die deutsche Industrie als Exporteur von vielen Qualitätsprodukten gehört zu den Hauptbetroffenen steigender Pirateriezahlen - mit allen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Steuereinnahmen“, sagte Kerber. „Hauptziel ist, die gewerbliche Produkt- und Markenpiraterie in der Breite zu bekämpfen, nicht illegale Musik-Downloads zu verfolgen.“ ACTA berühre weder bestehende Datenschutzregelungen, noch werde das Abkommen den Zugang zum Internet behindern oder Webseiten zensieren.

Der Europa-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) zeigte sich „sehr überrascht“ über den Rückzieher der Bundesregierung. Im Deutschlandradio Kultur sprach er sich am Samstag dafür aus, das Abkommen in einem offenen parlamentarischen Verfahren zu prüfen. Er nehme Einwände von Kritikern wegen einer möglichen Einschränkung der Internet- oder Meinungsfreiheit sehr ernst. In dem vorliegenden Text könne er aber solche Einschränkungen nicht erkennen.

Dazu gebe es ein Gutachten des Rechtsdienstes des Europäischen Parlaments, sagte Caspary. „Das Rechtsdienstgutachten ist eindeutig und sagt: Durch ACTA ändert sich in Europa nichts.“ Die Europäische Kommission habe alle in dieser Hinsicht kritischen Paragrafen aus den Entwürfen herausverhandelt. Das geplante Abkommen richte sich zu Recht gegen Produktpiraterie wie Fälschungen von Auto- oder Flugzeugteilen.

„Es ist notwendig und geboten, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen“, forderte Leutheusser-Schnarrenberger am Freitag. Jetzt müsse sich das Europaparlament mit dem Abkommen befassen und „entscheiden, ob es ACTA will oder nicht will“.

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA, Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen) war am 26. Januar von der EU sowie von 22 der 27 Mitgliedsstaaten unterzeichnet worden. Deutschland habe den Vertrag nur „aus formalen Gründen“ noch nicht mitunterzeichnet, die fehlende Unterschrift werde „in Kürze“ nachgeholt, hieß es daraufhin im Auswärtigen Amt.

Der ACTA-Vertrag sieht unter anderem vor, dass Internet-Provider Daten wie die IP-Adresse herausrücken sollen, um bei Verstößen gegen das Urheberrecht eine Identifizierung von Personen zu ermöglichen. Inhaber von Urheberrechten können dann ihre Ansprüche juristisch durchsetzen. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger erklärte hingegen: „Internetprovider sind keine Hilfssheriffs.“

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