Analyse: Ist die bessere Welt im Internet gescheitert?

Das Netz sollte mehr Demokratie bringen. Mit ihm kamen Pöbeleien und Cyber-Mobbing.

Düsseldorf. Wird das Internet unsere Gesellschaft demokratischer,pluralistischer, egalitärer machen, weil es jedem gleichermaßenerlaubt, sich öffentlich zu äußern? Wenn man dem Journalisten und"Bild"-Blogger Ronnie Grob glaubt, muss es so kommen. In der "NeuenZürcher Zeitung" schrieb er, das Internet bringe mehr Demokratie, "weilalle ihren Einfluss geltend machen können, unabhängig von Herkunft,Kontostand, Beziehungsnetz".

Nur leider hat der Mensch im Netz selten etwas zu sagen und entpupptsich oft als Wichtigtuer und Selbstdarsteller. So zumindest klingt esim aktuellen Buch des Journalisten Markus Reiter. In "Dumm 3.0" sprichter davon, dass die Diskussionskultur des Internets keineswegs ein Mehran Debatte und schon gar nicht an Demokratie gebracht habe, sondernsich oft auf einem erschreckend niedrigen Niveau abspiele. Pöbeleien,Verleumdungen und das Verbreiten von Unwahrheiten sei in Foren undChats an der Tagesordnung.

Ist die Idee einer sozialeren, gerechteren Welt im Netz gescheitert?Genau so gut könnte man fragen: Haben wir wirklich daran geglaubt?Keiner anderen Erfindung, keinem anderen Medium hafteten jemals soviele Heilsversprechen an wie dem Internet.

Keine Frage, das Internet hat die Welt räumlich zusammengeführt, hatKonflikte wie im Iran direkt auf unsere Bildschirme geholt. Aber es hatdie Welt nicht egalitärer gemacht. Dachten Soziologen anfangs noch,dass Rasse, Geschlecht und Status keine Rolle mehr spielen, wenn mansie nicht sehen kann, weiß man heute: Auch Rechtschreibkenntnisse undAusdrucksweise können diskriminiert werden. Und noch eine Konsequenzwird deutlich: Das Netz für Jedermann, wo sich Jeder vorstellen kann,wird vor allem von Großkonzernen erfolgreich zum Sammeln vonpersönlichen Daten genutzt.

Dennoch gilt das Internet als Basis einer aufgeklärten, modernenGesellschaft und als eine der bedeutendsten Erfindungen der Gegenwart.Gerade deshalb wird es Zeit, mit seinen spezifischen Problemenumzugehen, als da wären Cyber-Mobbing und Datenmissbrauch. Das alles -was in der realen Welt mit Therapien und Strafverfolgung bekämpft wird- gilt in der virtuellen Welt immer noch als notwendiges Übel.

Zahlen Laut der Forschungsgruppe Wahlen sind aktuell 73 Prozent aller Deutschen über 18 Jahren online.

Digital Natives Mittlerweile sprechen Soziologen von Digital Immigrants, Menschen die vor der Erfindung des Internet geboren wurden, und Digital Natives, junge Menschen, die mit dem Netz groß wurden und nicht mehr zwischen realer und virtueller Welt unterscheiden.

Cyber Mobbing Eine aktuelle Studie der Uni Münster ergab, dass jeder dritte befragte Schüler schon einmal im Netz beleidigt oder durch unangenehme Videos oder Fotos kompromittiert wurde.

Buch Markus Reiter "Dumm 3.0 - Wie Twitter, Blogs und Networks unsere Kultur bedrohen", Gütersloher Verlagshaus.

Netz Was ist Social Media, und wie verändert es die Medienlandschaft? Austausch darüber gibt es im Social Media Forum.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort