Android-Prozess: Oracle war hinter RIM und Palm her

San Francisco (dpa) - Die Stunde der Konzernchefs im Android-Prozess von Oracle und Google bringt bisher unbekannte Details ans Licht. So erzählte Oracle-Chef Larry Ellison, dass er einst den Einstieg ins Mobilfunk-Geschäft mit einer Übernahme des Blackberry-Anbieters RIM oder des Smartphone-Urgesteins Palm erwogen hatte.

Allerdings seien ihm die Unternehmen damals zu teuer gewesen, sagte Ellison vor Gericht laut US-Medienberichten. In dem Prozess in San Francisco geht es um den Oracle-Vorwurf, Google verwende in dem populären Betriebssystem Android unrechtmäßig Bestandteile der Java-Plattform.

Am Dienstag sagte nach Ellison auch Google-Chef Larry Page als Zeuge aus. Laut Oracle soll Page - der damals nicht an der Firmenspitze stand, aber als Mitgründer an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt war - schon vor Jahren gewusst haben, dass Google für Android eigentlich eine Java-Lizenz gebraucht hätte. Page verteidigte das Vorgehen seines Unternehmens: „Ich denke, wir haben nichts falsch gemacht.“ Das habe er schon bei einem Treffen zuhause bei Ellison gesagt, als der Oracle-Chef ihm vorhielt, in Android Softwarecode von Java verwendet zu haben.

Oracle wirft Google vor, mit Android Patente und Urheberrechte für Java zu verletzen. Java ist eine Software-Basis, auf der Programme für die unterschiedlichsten Zwecke und auch für verschiedene Betriebssysteme aufsetzen können. Java wurde ursprünglich von Sun Microsystems entwickelt. Sie wird auch für Web-Anwendungen breit eingesetzt; zuletzt haben sich dort aber andere Techniken in den Vordergrund geschoben. Oracle hatte Sun und damit die Rechte an Java im Jahr 2010 übernommen. Google will keine Verletzung von Urheberrechten anerkennen und streitet Oracle auch das Recht ab, die beiden ins Feld geführten Patente gegen Android einzusetzen.

Ellison erläuterte, Java sei zwar eine quelloffene Plattform - aber aus Oracle-Sicht sei für bestimmte Nutzungsszenarien trotzdem eine Lizenz notwendig. Dabei geht es vor allem um die Programmierschnittstellen, sogenannte APIs, die Google laut Oracle in Android unrechtmäßig übernommen habe. „Nur weil etwas quelloffen ist, heißt es nicht, dass man damit machen kann, was man will“, sagte Ellison laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

Oracle habe Google vor allem dazu bewegen wollen, Android kompatibel mit der Java-Plattform zu machen, sagte Ellison. Sein Konzern habe zeitweise selbst erwogen, eine mobile Plattform auf Java-Basis aufzusetzen, den Plan jedoch schließlich verworfen. Google-Anwalt Robert Van Nest konterte, Oracle sei mit der Entwicklung eines eigenen Systems gescheitert und wolle jetzt am Android-Erfolg teilhaben, ohne dafür etwas getan zu haben.

Google entwickelte als Kernstück von Android die Umgebung Dalvik, in der letztlich die Apps laufen. Diese beruht auf dem freien Betriebssystem Linux. Mit Java kompatible Programme werden für Dalvik übersetzt. Deshalb sieht Google keine Verletzung von Oracle-Rechten.

Oracle hatte den eigenen Schaden ursprünglich mit mehr als sechs Milliarden Dollar beziffert, musste die Ansprüche später jedoch auf rund eine Milliarde herunterschrauben. Theoretisch könnte der Software-Konzern auch ein Verkaufsverbot von Android erreichen. Der Richter William Alsup versuchte zwischenzeitlich, die Unternehmen zu einer außergerichtlichen Einigung zu drängen. Die Gespräche blieben jedoch ergebnislos. Der am Montag gestartete Prozess ist zunächst auf rund zwei Monate angesetzt.

Die von Oracle schließlich doch nicht übernommene Firma Palm hatte keine glückliche Zukunft. Palm wurde im Frühjahr 2010 für 1,2 Milliarden Dollar von Hewlett-Packard gekauft. Die unter HP-Regie herausgebrachten Palm-Geräte hatten jedoch wenig Erfolg. Im vergangenen Sommer stoppte der damalige deutsche HP-Chef Léo Apotheker die Produktion von Smartphones und Tablets mit der Palm-Software WebOS. Diese soll nun als offene Plattform weiterentwickelt werden.

Der Smartphone-Hersteller RIM kämpft derweil unter dem Druck von Apples iPhone und der Android-Telefone zurzeit mit massiven Absatzproblemen. Der neue deutsche Chef Thorsten Heins prüft verschiedene Optionen für die Zukunft - also könnte Ellison RIM vielleicht doch noch bekommen.

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