Apple und der iPhone-Wahnsinn - eine kleine Hype-Analyse

Es ist ein Wahnsinn, aber wir haben uns schon ein bisschen dran gewöhnt: Apple kündigt ein neues iPhone an, pulverisiert im Internet den eigenen Rekord der Vorbestellungen — und obwohl es dann doch eigentlich schon alle Enthusiasten haben müssten, verbringen zum Verkaufsstart Menschen in aller Welt freiwillig eine Nacht im Freien, um zu den ersten Besitzern zu gehören.

Allein am Centro Oberhausen haben Freitagmorgen geschätzte 4000 Menschen darauf gewartet, dass sich die Türen des Apple-Ladens öffnen. Viele kamen eigens aus den Niederlanden angereist, wo das Telefon erst eine Woche später in den Handel geht. Apple-Jünger werden diese Technikfans hierzulande gern genannt — und der religiöse Begriff trifft es nicht einmal schlecht.

Warum aber ziehen ausgerechnet die Produkte des US-Konzerns derart stark die Aufmerksamkeit auf sich — wo doch auch andere Hersteller gute Telefone bauen und inzwischen sogar mehr davon verkaufen (siehe Kasten unten)? Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick fünf Jahre zurück, ins Geburtsjahr des iPhone:

Geballte Multimedia-Power“, "Neuer Chef im Ring" oder „Smartphone der Superlative“ — mit lobenden Worten wie diesen wurde 2007 nicht etwa das erste iPhone, sondern das N95 von Nokia überschüttet. Das finnische Handy war besser ausgestattet und gewann zahlreiche Vergleichstests. Für das iPhone sprachen „nur“ die kinderleichte Bedienung, der berührungsempfindliche Bildschirm und ab 2008 auch die Möglichkeit, Programme aus dem Appstore zu laden.

Kleinigkeiten, könnte man meinen. Unter dem Strich aber lösten sie eine Revolution aus, die Nokia fast das Genick brach. Die Aktien von Nokia kosten heute nur noch ein Zehntel des Preises von September 2007. Apple hat seinen Wert in der gleichen Zeit verfünffacht und ist heute das wertvollste Unternehmen der Welt.

Das iPhone und später auch das größere iPad haben einen Nerv getroffen. Die Folge: Technikfreunde sind neugierig auf den nächsten vermeintlichen Coup. Und Apple nutzt dieses Interesse mit einer clevere Marketingstrategie aus, streut häppchenweise Gerüchte. Selbst wenn die hohen Erwartungen der Fans nicht jedes Mal erfüllt werden. Der Konzern hat es zumindest verstanden, seine Kunden nicht zu enttäuschen. Die Produkte sind (bis auf wenige Ausnahmen wie die Antenne des iPhone 4) stets technisch ausgereift, zuverlässig und hochwertig. Sie sind von ansprechendem Design. Und sie sind vergleichsweise teuer.

In der Summe macht sie das zu Statussymbolen für die junge Generation. Und für ein Statussymbol stellt man sich auch schonmal nachts vor ein Einkaufszentrum. Durchaus iIn dem Bewusstsein: „Irgendwie sind wir hier natürlich Vollidioten“, wie es am Freitag ein Apple-Fan der Frankfurter Rundschau diktierte.

Muss es also unbedingt ein iPhone sein? Nein. Aber es gibt durchaus gute Gründe, eines zu kaufen. Wem der Hype zuwider ist, der kann sich mit dem Gedanken trösten, dass auch Nokia einmal Weltmarktführer war und Trends vergänglich sind. Die nächste Revolution könnte übrigens schon in den Startlöchern stehen: Google arbeitet unter dem Namen „Project Glass“ an einer Brille, die Kamera, Telefon und Computer in einem ist. Mitte des Monats konnte sie in den USA erstmals ein Journalist testen, die Markteinführung ist schon für Ende 2013 geplant. Vielleicht blicken wir in fünf Jahren durch unsere Datenbrillen mit gerümpfter Nase zurück auf die Smartphone-Zeiten - und schmunzeln darüber, dass die halbe Welt in der U-Bahn mit gesenktem Kopf auf einen Bildschirm blickte. So oder so: Kopf hoch!

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