Das Internet bohrt sich ins Geschäft der Fernsehbranche

Berlin (dpa) - Werden wir in einigen Jahren anders fernsehen als bisher? Bei großen Ereignissen dürfte das Fernsehen das „Lagerfeuer“ der Nation bleiben. Im Alltag aber drängt das Internet verstärkt auf den Wohnzimmer-Bildschirm.

Das Internet hat eine Branche nach der anderen umgepflügt - das Fernsehen aber ist bislang allen Prophezeiungen zum Trotz davon weitgehend verschont geblieben. Schritt um Schritt baut sich nun allerdings eine kritische Masse von Veränderungen auf, die auch vieles im Fernseh-Geschäft auf den Prüfstand stellen werden. Die Olympischen Spiele in London waren im vergangenen Sommer ein Paradebeispiel dafür, wie Online-Angebote klassische Übertragungen ergänzen können. Und künftig wird der Übergang vom herkömmlichen Fernsehen ins Internet nahezu standardmäßig nahtlos.

Zum Jahr 2016 werden nahezu 85 Prozent der neuen Fernsehgeräte einen Internet-Zugang haben, prognostizierte jüngst das Marktforschungsunternehmen Gartner. Die Produktion der „Smart TVs“ werde von 108 Millionen in diesem Jahr auf 198 Millionen steigen. „Der Fernseher wird zur zentralen Komponente, die verschiedene Bildschirme im Haushalt zusammenbringt“, erwartet Gartner-Analyst Paul O'Donovan. Damit dürften auf den Fernsehbildschirm aber auch zahlreiche andere Inhalte zusätzlich zum üblichen Fernsehprogramm schwappen.

Diverse Anbieter bringen sich bereits für die neue Fernsehwelt von morgen in Stellung. Die Internet-Branche will dabei eine Schlüsselrolle spielen. So baut Google auf der Wucht seiner Videoplattform YouTube auf und bietet mit über 100 Spartenkanälen seit vergangenem Jahr eine Art Ersatz-Fernsehen an. Zum Deutschland-Start im Herbst war die Botschaft des verantwortlichen Managers Robert Kyncl an die TV-Branche aber vor allem ein „Wir kommen in Frieden!“ Google suche nur nach „weißen Flecken“, in denen es heute kein Angebot gibt. „Mein Wunsch ist, dass die Fernsehsender Google als einen Partner betrachten.“

Doch an zwei Punkten werden die alten und neuen Player der Fernsehbranche unweigerlich aufeinanderprallen: Die Werbeerlöse und die Zeit der Nutzer. Die Lücke zwischen den Erlösen mit Werbung im Internet und im Fernsehen schließt sich von Jahr zu Jahr - und in wirtschaftlich unsicherer Zeit wird der Kuchen auch nicht größer. Zugleich bieten die Online-Mediatheken und Bezahl-Anbieter ganz neue Möglichkeiten für zeitversetztes Fernsehen, mit denen die heutigen werbefinanzierten Geschäftsmodelle in Frage gestellt werden könnten.

Die großen US-Sender erlebten die neue Realität gerade mit einem Quoten-Einbruch für ihre aktuellen Serien. Auf Kritik kontern deren Verantwortliche unter anderem, die Zuschauer seien weiterhin interessiert - schauten sich die Folgen aber auf anderen Wegen als früher an. Die deutschen Sender sorgen bereits vor: So gehört zum Beispiel die Online-Videothek Maxdome - auf den meisten Smart-TVs nur wenige Tastendrucke entfernt - zum Fernsehkonzern ProSiebenSat.1. Konzernchef Thomas Ebeling beschwört zugleich das allseits bekannte Fernsehen weiterhin als das virtuelle „Lagerfeuer“ der Republik, um das sich die Familie versammelt.

Das Jahr 2013 könnte auch ein seit Jahren herumgeisterndes Phantom Wirklichkeit werden lassen: Den Apple-Fernseher. Laut US-Medienberichten testet der Konzern bereits seit Monaten verschiedene Prototypen mit seinen asiatischen Zulieferern. Es soll jedoch am wichtigsten Punkt haken - dem Angebot an attraktiven Inhalten. Die US-Fernsehbranche mache sich zu viele Sorgen um ihre bisherigen Geschäftsmodelle, um Apple ins Boot zu holen. Schon dem legendären Apple-Gründer Steve Jobs gelang es nicht, die Fernsehbosse zu überzeugen. Aber nach Einschätzung von Branchenbeobachtern ist ein wirklich innovatives Apple-TV ohne die Verknüpfung von Hardware und Inhalten nicht zu machen. Einfach nur einen Fernseher bauen können schließlich viele und auch die Musikindustrie konnte Apple erst mit der Kombination aus iPod-Player und der Download-Plattform iTunes revolutionieren.

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