Fotofilme „sterben“ langsam aus

Oldenburg (dpa) - Bei Europas größtem Fotodienstleister Cewe passt die analoge Welt inzwischen in eine kleine Ecke der riesigen Firmenhallen. Wie eh und je werden dort die Filmdosen aus den Versandtaschen geholt.

Fotofilme „sterben“ langsam aus
Foto: dpa

Die kleinen bunten Metallgehäuse landen in der Sammeltonne. Ein bisschen abseits werden Plastik-Einweg-Kameras in Handarbeit geknackt. Es riecht nach Chemikalien. Hier werden Negative entwickelt.

„Wir werden die letzte Firma sein, die das macht. Aber wir ziehen das durch“, sagt Olaf Holzkämper, der als Cewe-Finanzvorstand weiß, dass der Analog-Welt nicht die Zukunft gehört. Bei Cewe machte das analoge Geschäft einst fast 100 Prozent aus. Das hat sich grundlegend geändert. 2014 produzierte das Unternehmen 2,29 Milliarden Fotos, und nur noch 3,9 Prozent davon stammten von Fotofilmen. Der Rest kam digital vom Chip. Dazu passt, dass der Verkauf von Filmen in Deutschland von 2000 bis 2013 um 97 Prozent zurückging.

Der Siegeszug der Digitalkameras und Smartphones hat den Analog-Markt binnen einer Dekade praktisch implodieren lassen. Auch Cewe geriet in schwieriges Fahrwasser. Die Oldenburger mussten von 2004 bis 2010 elf Betriebe mit 1200 Mitarbeitern schließen. Die Restrukturierungskosten für die Analog-/Digital-Transformation: 55 Millionen Euro. Das börsennotierte Unternehmen ist heute digital aufgestellt.

Auf Konsumentenseite trotzt eine kleine Analog-Gemeinde dem Trend. Primär sind es ältere Kunden, die sich nicht umstellen wollen oder können. Aber auch Kunstschaffende schätzen die Technik, einige weil sie kein Ad-hoc-Ergebnis sehen, sondern den Spannungsbogen bis zur Entwicklung halten wollen. „Vor allem geht's dabei aber um Authentizität. Ein Negativ kann nicht verfälscht werden“, sagt Dagmar Göthel, die als Einzelhandelskauffrau seit 30 Jahren in der Fotobranche ist. Sie arbeitet im Bremer Fachgeschäft „Foto Bischoff“, das eine fast 90-jährige Firmentradition hat. Die Kameras in den Schaufenstern sind alle digital mit Ausnahme der kleinen Minolta-Kamera „Freedom“. „Ein Restposten“, heißt es.

Die Zahlen sind eindeutig. Wurden 2000 in Deutschland noch vier Millionen analoge Kameras und nur 580 000 digitale verkauft, war das schon 2010 ganz anders: Von den 8,65 Millionen Kameras waren in jenem Jahr 8,62 Millionen digital und nur noch 30 000 analog. Inzwischen haben Smartphones auch das Geschäft mit Digitalkameras geschrumpft: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur noch 4,61 Millionen Geräte verkauft - inklusive der boomenden Action-Kameras.

In der analogen Welt war die schnellste Zeiteinheit für den Durchschnittskunden der Overnight-Service. Das Kreuz bei „Express“ setzen, Extra-Gebühr zahlen und am nächsten Tag hatte man seine Fotos in den Händen. Heute gibt es die Fotos bei Bedarf sofort am Automaten. „Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Die Welt dreht sich weiter“, sagt Cewe-Manager Holzkämper.

Der bekannteste Verlierer des digitalen Wandels der Branche ist der Pionier Kodak, bei dem nicht nur die Weichen für analoge Fotografie gestellt, sondern auch die Digital-Kamera erfunden wurde. Doch die Manager wollten das Kerngeschäft nicht gefährden und hielten die Innovation zurück. Am Ende musste der US-Konzern Anfang 2012 Insolvenz anmelden und versucht nun sein Glück als Spezialist für digitalen Druck. Kodak-Fotofilme gibt es vor allem als Beiprodukt eines großen Kino-Deals mit Hollywood.

Die Grenzen verschwimmen aber, wenn man weiß, dass auch bei Cewe die Negative analoger Filme gescannt, digitalisiert und dann gedruckt werden. Ob analog oder digital - das Foto auf Papier ist dann doch sehr traditionell. „Es geht letztlich um die Emotion, die man in einem Foto festhalten will“, sagt Holzkämper. „Und Emotionalität bleibt als physisch fassbares Produkt einfach besser erhalten.“

Zugleich ist es so, dass die Menschen so viele Bilder wie nie zuvor machen - aber deutlich weniger als früher auf Papier drucken lassen. Die Aufnahmen landen oft bei Facebook oder werden per Kurznachricht verschickt. Bei Cewe wurden 2004 noch über 3,5 Milliarden Farbfotos gedruckt - im vergangenen Jahr waren es über ein Drittel weniger. Der Umsatz war mit 524 Millionen Euro aber um rund 100 Millionen höher als damals - weil die digitalen Bilder die Tür zu einem lukrativen Geschäft mit Fotobüchern oder Geschenkartikeln geöffnet haben.

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