ITU-Konferenz in Dubai: Wer soll das Internet regeln?

Dubai/Berlin (dpa) - Das Internet wird zusammengehalten von mehreren technischen Standards, deren Weiterentwicklung von nichtstaatlichen Organisationen betreut wird.

Am Montag sind Delegationen aus 193 Staaten in Dubai zusammengekommen, um auf der Weltkonferenz für die internationale Telekommunikation (WCIT) bis zum 14. Dezember darüber zu beraten, ob die Internationale Fernmeldeunion (ITU) nicht nur fürs Telefonieren, sondern auch fürs globale Computernetz zuständig sein soll. Der umstrittene Vorstoß mehrerer ITU-Staaten wirft viele Fragen auf.

Was ist die ITU?

Die International Telecommunication Union wurde bereits 1865 als International Telegraph Union gegründet. Ursprünglich bestand ihre Aufgabe darin, Regeln für die grenzüberschreitende Telegraphen-, dann auch für die Telefonkommunikation aufzustellen. Inzwischen arbeitet die ITU mit Sitz in Genf unter dem Dach der Vereinten Nationen, hat 193 Mitgliedsstaaten und regelt unter anderem auch Frequenzen für Radio und Satellitenkommunikation.

Warum will sich die ITU auch ums Internet kümmern?

In etlichen Staaten wird kritisiert, dass zentrale Organisationen zur Internet-Verwaltung wie die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) ihren Sitz in den USA haben und damit auch der US-Rechtsprechung unterliegen. Bei der ICANN haben die Regierungen nur eine beratende Rolle. Im Mittelpunkt stehen technische Aspekte und die dezentrale Struktur des Internets. Schon seit vielen Jahren, etwa auf dem Weltinformationsgipfel der UN 2005 in Tunis, gibt es aber Bemühungen, die Aufgaben der ICANN und verwandter Organisationen wie der IETF (Internet Engineering Task Force) oder der Internet Society (ISOC) den Vereinten Nationen zu unterstellen.

Was steht in Dubai auf der Tagesordnung?

Das wichtigste Ziel der Konferenz (WCIT) ist eine Neufassung der Internationalen Telekommunikationsregulierungen (ITR) aus dem Jahr 1988. Mehrere Staaten wollen das Internet in dieses Rahmenwerk einbeziehen. „Die Mitgliedsstaaten sollen gleiche Rechte haben, das Internet zu managen“, heißt es in einem von Russland vorgelegten Entwurf. Hier wird auch davon geredet, „das nationale Internet-Segment zu regulieren“.

Wer vertritt Deutschland auf der Konferenz?

Die deutsche Delegation wird von einem Abteilungsleiter des Bundeswirtschaftsministeriums angeführt. Vertreten sind unter anderem auch das Innenministerium und das Auswärtige Amt sowie die Deutsche Telekom und der Verband der Deutschen Internetwirtschaft (Eco).

Es geht in Dubai also auch um kommerzielle Interessen?

Ja. So hat etwa die Vereinigung europäischer Netzbetreiber (ETNO) einen eigenen Vorschlag eingereicht. Das angestammte Geschäft der Telekommunikationsfirmen im Telefonverkehr ist bedroht, weil viele Kunden zu Angeboten von Internet-Firmen wie Skype gewechselt sind. Die ETNO will erreichen, dass künftig Firmen mit großen Datenmengen im Internet wie eben Skype oder auch Google Gebühren für die Nutzung des Datennetzes zahlen sollen.

Und welche Position nimmt Deutschland ein?

Im Einklang mit der Europäischen Union und anderen westlichen Staaten vertritt die Bundesregierung die Haltung, dass es keine Internet-Regulierung geben soll. Eine Neufassung der ITR wird nicht für zwingend erforderlich gehalten. Das Europaparlament hat eine Entschließung mit der Forderung verabschiedet, „dass das Internet ein freier und offener Raum bleiben sollte“ und kritisierte die mangelnde Transparenz im Zusammenhang mit der Konferenz in Dubai.

Wie können sich Internet-Nutzer in die Diskussion einbringen?

Die Konferenz wird von meist ablehnenden Äußerungen im Netz kritisch begleitet. Auf Twitter findet die Diskussion unter dem Hashtag (Schlagwort) „WCIT“ ihren Niederschlag. DGB-Chef Michael Sommer hat bei change.org eine Online-Petition an die ITU gestartet.

Wie wird die Konferenz voraussichtlich verlaufen?

Die Teilnehmer rechnen mit intensiven Verhandlungen und langen Nachtsitzungen. Entscheidungen werden im Konsensprinzip getroffen, nicht in Abstimmungen. Die Mitgliedsländer können einen Vorbehalt gegen einzelne Regelungen einlegen - oder auch ihre Unterschrift ganz verweigern.

Was passiert, wenn es keine Einigung gibt?

Schon jetzt gibt es nicht mehr das eine globale Internet. Etliche Staaten haben eine nationale Regulierung eingeführt und filtern unliebsame Inhalte aus. Mit technischen Mitteln lässt sich dies teilweise umgehen. Einzelne Staaten wie Russland könnten ein Scheitern der Konferenz zum Anlass nehmen, die Internet-Regulierung voranzutreiben.

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