Patentkrieg: Motorola-Treffer und Nokias Riesen-Klage

Mannheim/Espoo (dpa) - Der Patentkonflikt in der Telekommunikationsbranche schaukelt sich immer weiter hoch: Zunächst erzielte Motorola am Mittwoch in Deutschland ein Verkaufsverbot für Microsofts Windows 7 und die Spielekonsole Xbox 360.

Dann schlug Nokia mit einer Mega-Klagewelle gegen drei Konkurrenten zu, denen der finnische Handy-Riese die Verletzung von insgesamt 45 Patenten vorwirft.

Nokia verklagte die Konkurrenten HTC, RIM und Viewsonic. Neben den USA ist Deutschland der zentrale Schauplatz der Patenprozesse: Nokia klagt vor den Landgerichten in Düsseldorf, Mannheim und München. Dabei geht es um Details der Antennentechnik und des Strom-Managements sowie um Software-Patente etwa für Verschlüsselung oder Menü-Anzeigen.

Nokia hält nach den vielen Jahren an der Spitze des Handy-Geschäfts tausende wichtiger Patente. In dem erbitterten Patentkrieg der Mobilfunk-Branche hatten sich die Finnen zuletzt aber eher zurückgehalten. Ein schlagzeilenträchtiger Streit mit Apple war im vergangenen Sommer mit einer Vereinbarung beigelegt worden. Zudem ist Nokia selbst Ziel seit Jahren laufender Klagen des deutschen Patentverwerters IPCom.

Gegen den Smartphone-Spezialisten HTC zieht Nokia vor die amerikanische Handelsbehörde ITC, die den Import von Geräten in die USA verbieten kann. Außerdem gibt es Klagen gegen HTC und den in Deutschland vor allem für seine Monitore bekannten Elektronik-Hersteller Viewsonic vor einem US-Gericht in Delaware. Vor dem Landgericht Düsseldorf klagt Nokia gegen HTC und den Blackberry-Anbieter RIM sowie in Mannheim und München gegen alle drei Unternehmen.

Die drei deutschen Landgerichte sind auch Schauplatz der anderen Patentstreitereien in der Branche, unter anderem von Motorola mit Apple und Microsoft oder von Apple und Samsung. Die deutschen Gerichte gelten in der Branche als Patentinhaber-freundlich und bearbeiten die Fälle zudem deutlich schneller als etwa die US-Justiz.

Motorola konnte sich am Mittwoch wieder einmal in Mannheim durchsetzen. Das dortige Landgericht stellte die Verletzung von zwei Patenten des Mobilfunk-Pioniers durch eine breite Palette von Microsoft-Produkten fest. Dazu gehören auch der Browser Internet Explorer und der Windows Media Player. Allerdings ist aus mehreren Gründen nicht davon auszugehen, dass die Produkte des Software-Riesen jetzt schnell aus dem Handel verschwinden müssen.

Bei den Patenten geht es um grundlegende Techniken des Standards H.264 zur Videokompression. Da ohne diese Patente der breit verwendete Standard gar nicht erst umgesetzt werden kann, müssen sie zu besonderen Konditionen lizenziert werden: Fair, zu angemessenen Preisen und ohne Benachteiligung einzelner Interessenten. Die gängige englische Abkürzung für das Prinzip ist FRAND. Microsoft wirft Motorola in einem Verfahren in den USA den Missbrauch von FRAND-Patenten vor. Das dürfte den Handy-Hersteller auch daran hindern, das Mannheimer Urteil rasch zu vollstrecken.

Der deutsche Patent-Experte Florian Müller, der die vielen Streitigkeiten in der Branche beobachtet, rechnet zudem damit, dass Microsoft umgehend in Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe gehen wird. Auch die EU-Kommission nimmt derzeit Motorolas Lizenzierungs-Praktiken bei FRAND-Patenten nach Beschwerden unter anderem von Microsoft genauer unter die Lupe. Motorola weist die Anschuldigungen zurück.

Das bereits von Mitte April verschobene Urteil war mit Spannung erwartet worden. Mit Blick auf dieses Verfahren hatte Microsoft die Verlagerung seines europäischen Logistik-Zentrums aus Nordrhein-Westfalen in die Niederlande beschlossen. Der Umzug ist inzwischen vollzogen worden. Ein Microsoft-Sprecher betonte, das Urteil werde keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Geschäft in Deutschland haben.

Motorola betonte in einer ersten Reaktion, das Unternehmen sei offen für eine Beilegung des Streits. „Wir möchten nur einen fairen Ausgleich für unser geistiges Eigentum“, erklärte eine Sprecherin.

Motorola setzte sich in Mannheim bereits wiederholt mit Patentklagen gegen Apple durch. Das führte bisher dazu, dass deutsche Verbraucher zunächst einen Tag lang bestimmte Modelle der iPhones und iPads nicht online kaufen konnten und für sie die Push-Funktion in Apples E-Mail-Diensten deaktiviert ist. Apple kontert mit eigenen Klagen.

Motorola hält als Mobilfunk-Pionier viele grundlegende Patente. Das ist auch der Grund, warum Google die Mobility-Sparte des Unternehmens für 12,5 Milliarden Dollar kaufen will - das Patent-Arsenal soll das Betriebssystem Android gegen Angriffe von Microsoft und Apple schützen. Während die Kartellwächter in Europa und den USA bereits grünes Licht gegeben haben, zögern die Regulierer in China noch. Sie hatten ihre Prüfung verlängert.

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