Shoppen mit iPad und Co: Das Einkaufs-Erlebnis wandert ins Web

München (dpa) - Das Internet hat bereits viele stark Branchen verändert. Nun ist der Einzelhandel an der Reihe. Online-Shopping, Preisvergleiche und Bezahlen mit dem Handy, die Analyse von Kundendaten und personalisierte Angebote bestimmen immer mehr das Einkaufen.

„Schrei vor Glück“, wirbt das Mode-Shopping-Portal Zalando in seinen TV-Kampagnen. Hinter den Kulissen jubeln vor allem die Investoren um die Brüder Alexander, Marc und Oliver Samwer und ihr Beteiligungsunternehmen Rocket Internet. Als E-Commerce-Portal für Schuhe gestartet, hat Zalando den Umsatz zwischen 2009 und 2012 von sechs Millionen auf rund eine Milliarde Euro gesteigert. Nun beschäftigt das Berliner Unternehmen über 1000 Mitarbeiter, hat sein Angebot um Kleidung erweitert und eine Präsenz in mehr als einem Dutzend Ländern aufgebaut. Das „Manager Magazin“ nannte Zalando „die größte Internetwette Deutschlands“: „Kein Start-up ist in Deutschland seit dem Dotcom-Hype um die Jahrhundertwende so schnell gewachsen.“

Die Zalando-Story steht für einen Trend. Manches spricht dafür, dass die Samwer-Brüder - als notorische Kopierer von erfolgreichen jungen Internet-Geschäftsmodellen aus den USA nicht unumstritten - mit ihrem ambitionierten Shopping-Portal wieder einmal zur rechten Zeit auf das richtige Pferd gesetzt haben.

Joe Schoendorf, mit Accel Partners einer der führenden internationalen Internet-Investoren, stellte auf der Münchner Innovationskonferenz DLD (20. bis 22. Januar) fest: Zuerst habe das Internet Industrien wie die Medien oder die Musikwirtschaft revolutioniert, „jetzt sind der Handel und die Finanzwirtschaft an der Reihe.“ Sein Kollege Frederic Court von Advent Venture Partners stimmte zu: „Vor uns liegen fünf Jahre massiver Veränderungen im Einzelhandel.“

Während sich Zalando trotz des atemberaubenden Wachstumstempos nach Brancheninformationen noch müht, aus den roten Zahlen zu kommen, sind andere Online-Modehändler bereits profitabel. So beispielsweise der britische Internet-Versender Asos, der dem Vernehmen nach bereits zum Übernahmeziel des E-Commerce-Riesen Amazon geworden ist. Das amerikanische Portal Fab wächst dank der Konzentration auf hochwertige Designartikel. Der französische Anbieter venteprivee.com brachte es dank sogenannter Flash Sales - ständig wechselnde Schnäppchenangebote - auf über 1,5 Milliarden Dollar Umsatz.

Die Modehersteller können sich immerhin noch damit trösten, dass die neuen Shopping-Plattformen ihnen einen zusätzlichen Vertriebskanal zu jungen Kundengruppen eröffnen. „E-Commerce ist enorm wichtig, um Luxusmarken zu verjüngen. Unsere neuen jungen Kunden finden unsere Produkte im Netz und kaufen sie in unseren Läden oder online“, berichtete Sanjiv Singh, Geschäftsführer Nordeuropa beim französischen Modeklassiker Lacoste.

Die mittelständischen Textil- und Schuhhändler, aber auch Mode-Kaufhäuser bangen dagegen um ihre Zukunft. Wenn der mit dem Internet aufgewachsene Shopping-Nachwuchs überhaupt noch in der Fußgängerzone stöbert, dann hat er sich vorher im Web schlaugemacht. Die „Digital Natives“ fragen nach einem bestimmten Wunschprodukt, probieren es im Laden an, bestellen es aber dann vielfach dort im Netz, wo es laut Preisvergleichs-Portalen am günstigsten ist. Ernüchternd für den Handel sind auch Studien, die der New Yorker Marketing-Wissenschaftler Scott Galloway in München präsentierte: Danach ist eines der weltweit stärksten Motive für den anonymen Online-Einkauf, den Kontakt zum Verkaufspersonal zu vermeiden.

Eine Chance für die Händler sehen Experten dagegen im Siegeszug von Smartphones und Tablets, die in Zukunft zum lokalen Shopping-Lotsen und zum Ersatz für die Geldbörse werden. Wenn der Kunde auf dem Touchscreen sehen könne, wo das gesuchte Kleidungsstück noch auf Lager ist, wenn er es mit dem Handy auch gleich bezahlen und dank eines Rabattservices sogar noch einige Prozent sparen könne, dann bleibe er vielleicht doch dem Händler vor Ort treu.

Nach Einschätzung von Galloway überflügeln derzeit vor allem iPad & Co als digitale Shopping-Plattform PC und Smartphone. Wer das begehrte Kleidungsstück mit einem Tablet im Web entdeckt habe, sei besonders schnell mit der Bestellung und gebe im Schnitt auch deutlich mehr Geld aus. Als unverzichtbar im Online-Shopping gilt derweil auch die aktive Präsenz auf den sozialen Plattformen.

„Entscheidend ist aber nicht, wo man überall mit seiner Marke vertreten ist, sondern wie man die Möglichkeiten nutzt“, betonte Lacoste-Manager Singh. Vor allem eher visuelle Angebote wie YouTube oder Pinterest, bei denen Videos oder Fotos im Vordergrund stehen, beflügeln den Mode-E-Commerce. Facebook gilt als Muss, um mit den Fans der eigenen Marke im intensiven Kontakt zu bleiben. Aber Social-Media-Präsenz allein verkauft keine Produkte. „Das läuft erst dann, wenn wir dem Kunden auf diesem Wege Anreize und Vorteile wie kleine Geschenke, Rabatte oder Sonderaktionen anbieten“, sagte Singh.

Aber auch der Siegeszug der Shopping-Portale ist nicht ohne Risiken. Zum Problem können hohe Retourenquoten werden. Mit Analysen der Kundendaten und des Kaufverhaltens versuchen die Internethändler, die Zufriedenheit der Besteller zu steigern, ihnen maßgeschneiderte Angebote zu machen und die Retouren zu drücken.

Hjalmar Winbladh, Gründer des schwedischen Geschenkgutschein-Portals Wrapp sieht einen kuriosen Wettlauf um die Vorherrschaft im „Crosschannel-Commerce“, der alle Vertriebskanäle, vom Laden bis zum Smartphone, einbezieht: „Die großen Modemarken mit eigenen Läden versuchen, mit Hochdruck ihre Online-Angebote auszubauen. Gleichzeitig eröffnen die Shopping-Portale die ersten eigenen Länden, um in den Innenstädten Fuß zu fassen.“

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