Wenn die Toten online sind - QR-Codes auf dem Grabstein

Köln (dpa) - Trauerportale im Internet sind nicht neu. Doch einige Steinmetze gehen jetzt den nächsten Schritt: Ein grafischer Code am Grabstein kann mit der Handykamera gelesen werden und führt direkt zum Totengedenken ins Netz.

Stolz führt der Kölner Steinmetzmeister Andreas Rosenkranz seinen neuen Grabstein vor. Mit seinem Tablet-PC fotografiert er ein steinernes Relief am Kopf des Grabmals - und schon öffnet der Browser eine Internetseite. Ob auf Werbeplakaten oder in der Zeitung, grafische Codes, die aussehen wie ein Labyrinth, sind längst allgegenwärtig. Jetzt sind die kleinen Pixelquadrate - „QR-Codes“ genannt, für „Quick Response“, also „schnelle Antwort“ - auch auf deutschen Friedhöfen angekommen. Die ersten Steinmetze stellen Grabsteine her, die einen QR-Code tragen. Scannt man ihn mit der Smartphone-Kamera, können spezielle Apps die dahinter liegenden Daten entschlüsseln.

Welche Informationen der QR-Code enthält, hängt ganz von den Wünschen der Auftraggeber ab. Das kann ebenso ein Rilke-Zitat wie ein Internet-Link sein. Rosenkranz sieht darin großes Potenzial: „Die Mobilität des Einzelnen führt dazu, dass Friedhofsbesuche eher rückläufig sind. Trauer und Trauerverarbeitung finden zunehmend im Netz statt.“ Ein QR-Code könne das vorhandene Grabmal mit dem virtuellen Trauerort verbinden - sei es ein professionelles Trauerportal wie „eMorial“ oder eine privat gestaltete Trauerseite.

Gleichzeitig löse der QR-Code ein aktuelles Problem, sagt Rosenkranz. Der Trend zu Urnenbestattungen nehme zu - und damit schrumpfe auch die Größe des Grabsteins. Da sei der QR-Code eine gute Möglichkeit, um Platz für mehr Angaben zu haben als nur Name und Lebensdaten.

Steinmetz Timothy Vincent aus Wetter an der Ruhr sieht noch einen weiteren Vorteil: Eine im QR-Code verlinkte Webseite ist veränderbar. „Es kann immer wieder etwas neues dort sein. Und das ist ja etwas, was das klassische Grabmal nicht kann.“

Seitens der Kunden gebe es durchaus Nachfrage. Rosenkranz hat bereits einen Grabstein nach Bergisch Gladbach geliefert. Einen Sockelstein, durch den sich ein Grab nachträglich mit QR-Code ausstatten lässt, hat er nach München verkauft, zwei weitere sind in Arbeit. Und auch Vincent kann sich über mangelndes Interesse nicht beklagen.

Die auf das Bestattungswesen spezialisierte Verbraucherinitiative Aeternitas kann sich mit QR-Codes auf Grabsteinen durchaus anfreunden. „Es hat einen Mehrwert für die Leute, die das Grab besuchen, weil es mehr Informationen zeigen kann“, sagt Aeternitas-Sprecher Alexander Helbach und rät: „Wenn jemand so etwas plant, sollte er sich in jedem Fall im Vorfeld bei der Friedhofsverwaltung erkundigen, ob der Entwurf genehmigt werden kann.“

So sieht das Kölner Amt für Landschaftspflege und Grünflächen, das über 90 Prozent der städtischen Friedhöfe in Köln beaufsichtigt, die innovativen Grabsteine kritisch. Denn QR-Codes könnten nicht nur Inhalte sichtbar, sondern auch hörbar machen, gibt Amtsleiter Manfred Kaune zu bedenken. „Die Gefahr, dass andere Besucher des Friedhofs in ihrer Ruhe gestört und eventuell durch die Inhalte auch belästigt werden, ist jedenfalls gegeben.“ Deshalb würde Kaune einen entsprechenden Antrag derzeit auch ablehnen.

„Ich denke mir, dass ein Friedhof ein Ort der Lebenden und der Toten ist“, sagt dagegen Steinmetz Vincent. „Leben bedeutet auch Lachen, Sprechen, Unterhaltung, Kommunikation.“ Und das solle auf einem Friedhof immer möglich sein, meint er.

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