YouTube-Manager: Es wird Millionen Kanäle geben

Berlin (dpa) - YouTube baut ein breites Spektrum von Themen-Kanälen auf. Der Google-Dienst wird damit praktisch zu einer Plattform für Sparten-Sender. Zur Ankündigung der ersten deutschen Kanäle sprach YouTube-Manager Robert Kyncl mit der Nachrichtenagentur dpa über die Aussichten für das Geschäft und die Rivalität zum klassischen Fernsehen.

Es wird schon lange vorhergesagt, das Internet werde das Fernsehen umkrempeln - aber sehen Sie Zeichen für eine Revolution?

Kyncl: „Ich glaube, dass das Fernsehen noch lange so bleiben wird, wie es heute ist. Es gibt viele Leute, die den Wandel durch das Internet übertreiben - und es sind meistens diejenigen, die die Branche nicht besonders gut kennen. Das klassische Fernsehen hat solide Geschäfts-Grundlagen, die nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden werden.“

Wo liegt also die Chance eines Players wie YouTube?

Kyncl: „Ein intelligenter Internet-Anbieter fragt sich nicht, wie er mit den Platzhirschen konkurrieren kann, sondern: Wie kann ich ihr Angebot ergänzen? Und genau das ist unsere Strategie. Zum Beispiel, die Bundesliga: Es macht für uns keinen Sinn, für die teuren Live-Rechte mitzubieten. Wir würden nur die Preise hochtreiben, ohne dass jemand davon etwas hätte. Aber es macht Sinn, wenn wir Highlights der Spiele auf Computern oder mobilen Geräten zeigen können, als Ergänzung zu dem, was es im Fernsehen gibt.“

Welche Bereiche rufen noch danach, online ergänzt zu werden?

Kyncl: „Zum Beispiel einzelne Sportarten oder Anleitungsvideos - das Fernsehen hat eine eingeschränkte Kapazität, auch geografisch. In vielen Fällen kann man eine weltweite Zuschauergemeinde nur über das Internet aufbauen. Nehmen wir zum Beispiel Yoga, Cricket oder Skilaufen: Sie finden dafür kaum einen Kanal im Fernsehen, schlicht weil es in keinem Land genug Interessenten gibt, um ihn profitabel zu betreiben. Aber mit einem Kanal bei YouTube kann man auf einen Schlag Millionen Anhänger solcher Sportarten weltweit erreichen.“

Werden Sie damit nicht aber doch zu einem Konkurrenten des Fernsehens?

Kyncl: „Unsere Strategie ist, zu schauen, welche Interessen es in der Welt gibt, die im Fernsehen unterrepräsentiert sind, und sie zu bedienen. Wir suchen gezielt nach diesen "weißen Flecken", in denen es heute kein Angebot gibt. Ich bin überzeugt, dass wir den TV-Konsum erweitern, indem wir Inhalte anbieten, die man heute im Fernsehen nicht findet. Es geht nicht um frontalen Wettbewerb, sondern um Ko-Existenz und Ergänzung.“

Zugleich ist der Eindruck, dass man in einem solchen Geschäft mit Online-Video insgesamt deutlich weniger Geld verdienen kann als im klassischen Fernsehen. Lohnt sich das für Sie am Ende überhaupt?

Kyncl: „Wir sind kein Unternehmen, das gerne Geld verliert. Genau diese Frage haben uns alle auch gestellt, als wir die Suchmaschinen-Werbeplattform AdWords starteten. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung der Video-Werbeerlöse. Und wir sind überzeugt, dass wenn wir viele einzelne Interessenbereiche zusammenlegen, dies am Ende eine sehr hohe Summe ergibt.“

Aber braucht man nicht wirklich attraktive Inhalte, die auf einen Schlag Millionen mitreißen können, um im Fernsehgeschäft erfolgreich zu sein?

Kyncl: „Die Menschen sind verschieden. Was dem einen unattraktiv erscheint, begeistert den anderen. Ich würde es sogar vorziehen, wenn die Leute uns weiter fragen, wann wir denn endlich wirklich attraktive Inhalte bei YouTube bekommen, weil das bedeuten würde, dass wir etwas gefunden haben, was alle unterschätzten. Das ist wie bei Aktien: Mit offensichtlichen Entscheidungen kann man nicht groß gewinnen. Und wenn wir bei Google etwas machen, geht es nicht um kleine evolutionäre Schritte, wir wollen die Welt verändern. Bei Google gehen wir große Wetten ein - und liegen dann natürlich auch manchmal daneben.“

Was ist die große Wette in Ihrem Fall?

Kyncl: „Erstens hoffen wir, mit dem "Trueview"-System einen neuen Standard für Werbung zu setzen, die der Zuschauer überspringen kann. Wenn wir damit erfolgreich sind, wird dies das Werbegeschäft revolutionieren. Die zweite Wette ist, dass wir jede Menge "weißer Flecken" finden, mit Interessen, die bisher nicht bedient werden - und das wäre dann ein Riesengeschäft. Wir können mit beidem auch danebenliegen - aber wieso sollten wir versuchen, das gleiche Geschäftsmodell zu kopieren, das es schon erfolgreich in der Fernsehbranche gibt?“

Gibt es nicht aber auch die Gefahr, dass Ihr Erfolg ganz nebenbei das Geschäftsmodell der heutigen Fernsehbranche torpediert? Der Tag hat für jeden nur 24 Stunden. Die Zeit, die Leute vor YouTube verbringen, sehen sie nicht fern, die Einschaltquoten sinken, die Werbeeinnahmen folgen - ist das nicht ein realistische Entwicklung?

Kyncl: „Ich bin jetzt seit zwölf Jahren in der Internet-Branche - und seitdem höre ich immer wieder diese Frage. Das Szenario klingt logisch, ist aber nicht eingetreten. Auch mit dem Aufstieg der Online-Videofirmen ist der TV-Konsum in den vergangenen Jahren nur gestiegen, allen solchen Prognosen zum Trotz. Entweder schauen sich die Leute Internet-Videos nebenbei an - oder sie sehen sich einfach viel mehr Sachen an als früher, auf allen möglichen Wegen. Mit mobilen Geräten kam zudem eine ganz neue Plattform hinzu. Ich glaube nicht, dass sich jemand Sorgen machen muss. Das Fernsehen geht in eine Richtung, wir in eine andere.“

Wie werden wir also im Jahr 2020 fernsehen?

Kyncl: „Der Fernseher geht von allein an, wenn wir den Raum betreten, weil er eine Kamera hat, die uns erkennt. Sofort wird eine Liste der Lieblingsprogramme angezeigt - auch solcher aus der YouTube-Welt. Der Fernseher wird sich nicht nur mit dem Internet verbinden, sondern auch mit Ihrem Handy, damit sie Ihre Videos nahtlos weitersehen können. Es wird sehr viele neue Kanäle geben. Früher konnten sich die Leute nicht vorstellen, dass es mal 300 Programme im Fernsehen geben wird, jetzt werden es Millionen sein. Und die meisten davon werden Ihnen völlig egal sein, weil Sie sich nur das herauspicken werden, was Sie interessiert.“

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