Anschlag auf Sikhs: Tempel-Attentat ein tödlicher Irrtum?

Ermittler rätseln über die Hintergründe der Schüsse in Wisconsin. Der Täter könnte Sikhs mit Muslimen verwechselt haben.

Washington. Neal Gill ist es völlig egal, wie man den Mann nennt, der im Sikh-Tempel in Oak Creek ein Blutbad anrichtete. Einen Terroristen, einen Amokläufer, einen Massenmörder? Gill weiß nur eines: „Es ist eine kranke, kranke Person, so viel kann ich sagen“, zitiert die „Washington Post“ den Anwohner von Oak Creek. Auch einen Tag nach dem Verbrechen im US-Staat Wisconsin, bei dem sechs Menschen in einem Sikh-Tempel erschossen worden sind, herrschen in den USA Fassungslosigkeit und Erschütterung über diesen „neuen sinnlosen Akt der Gewalt“, wie es der Bürgermeister von Oak Creek, Steve Scaffidi, formuliert.

Erschien es ihm doch wie vielen anderen, als wäre es erst gestern gewesen, als man die Toten des Kino-Massakers von Colorado betrauerte — und über das „Warum“ rätselte. Diesmal war ein Tempel das Ziel eines Mörders. „Wenn wir nicht einmal in einem Gebetshaus sicher sind, wo dann?“, fragt ein Einwohner.

Nur tröpfchenweise sickern Einzelheiten über die Hintergründe der Tat durch. Der Täter hat mehrere Jahre bei der US-Armee gedient. Der weiße US-Bürger (40) war ausgebildeter Fallschirmspringer und auf psychologische Kriegsführung spezialisiert, wie das Pentagon mitteilt. Für seine vorbildliche Führung und seine Leistungen als Soldat sei er mit militärischen Orden ausgezeichnet worden.

Die Ermittler gehen Berichten nach, wonach der Mann Anhänger rassistischer Theorien war. „Wir untersuchen die Bedeutung seiner Tätowierungen“, sagt ein Sprecher der US-Behörde für Waffen, Tabak und Sprengstoff. Nach US-Medienberichten nahm ein Tattoo auf dem Arm des Schützen Bezug auf die Terroranschläge vom 11. September 2001.

„Jeder hier glaubt, dass es ein Hassverbrechen war“, sagt Manjit Singh, Mitglied einer benachbarten Sihk-Gemeinde. „Leute denken, dass wir Muslime sind.“ Auch Ravi Chawla, ein Geschäftsmann, der seit 40 Jahren in den USA lebt, sagt: „Die meisten Leute sind so unwissend, dass sie die Unterschiede zwischen den Religionen nicht kennen. Bloß weil sie einen Turban sehen, denken sie, dass wir Taliban sind.“

Vielleicht werden die Menschen von Oak Creek nie erfahren, was den Schützen zu seiner Tat bewogen hat: Der Täter selbst wurde von einem Polizisten getötet. Sicher scheint, dass er seine Waffe völlig legal erwarb — wie der Kino-Schütze von Colorado. Dessen Tat hatte eine neue Debatte über die lockeren Waffenkontrollgesetze in den USA ausgelöst, die nur sehr kurzlebig war.

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